Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Montag, 27. März 2017

Time Door



(I)

Das Gebäude ist mit einem Code gesichert. Rechts neben der Tür gebe ich eine vierstellige Zahl ein. Dann springt die Tür auf. Ich stehe in einem barocken Saal. Es ist zugig hier. Und es riecht nach Talg. Die Kleider der Frauen rauschen, wenn sie sich bewegen. Und die vielen Kerzen tauchen den Raum in ein eigentümliches Licht. Das Licht bewegt sich. Es changiert. Vom Hellen ins Dunkle. Und wieder zurück. Mal liegt ein Winkel ganz dunkel da. Um dann kurze Zeit später wieder ganz licht zu sein. Und so ist es auch mit den Gesichtern der Menschen. Ich sehe in ein Gesicht. Und dieses Gesicht wechselt. Es verändert sich. In einer schnellen Abfolge. Stakkatohaft. Und ich kann mich nicht festsehen. An einem Gesicht. Ich kann es nicht einmal kurz ansehen. Mir wird schwindelig. Dabei. Und ich fühle mich berauscht. Von diesen Wechseln. Die Sprache, die ich hier höre, ist mir fremd. Sie erinnert mich an meine. Aber es ist eine sehr alte Form. Die Laute folgen einer längst vergessenen Melodie. Und ich überlege, mich einzuhören. Entscheide mich jedoch für etwas Anderes. Und verlasse den Raum.



(II)

Ich gehe um das Gebäude herum. Und stehe wieder vor der Tür. Ich gebe die Zahl ein. Die Nummernfolge. Wieder springt die Tür auf. Und ich stehe in einem Raum. Es ist ein Schreibmaschinensaal. Die Geräusche der Maschinen sind wie kleine Hammer. Die auf Metall schlagen. Und hier verläuft nichts synchron. Es ist ein hämmerndes Durcheinander. Und dann ist da noch dieses klingelnde Geräusch. Am Ende der Zeile. Man weist mir einen Platz zu. Und ich setze mich. An eine Maschine. Neben der Maschine liegt ein handgeschriebenes Blatt.  Das ich abzutippen habe. Und ich brauche einen Moment. Um mich zu erinnern. Wie diese Maschine funktioniert. Wie ich das Blatt einspanne. Und ich weiß, dass ich mich jetzt sehr konzentrieren muss. Denn ein Fehler ist hier ein Fehler. Ich habe den Text schon zur Hälfte abgetippt. Ich bin sehr vorsichtig. Und dann unterläuft mir doch ein Fehler. Bei dem Wort Zufall kommt mir am Ende ein drittes L hinzu. Das ich nicht aufhalten kann. Jemand tritt hinter mich. Blickt auf das Blatt. Überfliegt es. Und spricht das Wort, das ich falsch schrieb, so aus, wie ich es geschrieben habe. Die Person lacht. Sie zieht das Blatt aus der Maschine. Und zerknüllt es. Ich verlasse den Raum.



(III)

Ich gehe wieder um das Gebäude. Gebe den Code ein. Vierstellig. Und auch jetzt öffnet sich die Tür. Und ich stehe in einem Raum. Er ist ganz silbern. Und die Menschen tragen Kleidung aus einem Material, das ich nicht kenne. Es ist weiß. Und ich glaube, dass es atmet. Ich bin mir nicht sicher, ob es die Menschen sind, die noch atmen. Oder ob es die Kleidung ist, die das jetzt für sie tut. Die Kleidung scheint fest und porig zugleich. Die Menschen tragen blaue Haare. Und der Schnitt ist identisch. Bei allen. Wenn ich an ihnen vorbeigehe, riechen sie nach Lavendel. Was gut zu ihrem Haar passt. Ich verstehe ihre Sprache. Sie ist wie meine. Nur gibt es einige Wörter, die ich nicht kenne. Ich höre Dulukt. Tronspender. Formalikon. Sie beschreiben Sachverhalte und Dinge, die mir nicht vertraut sind. Weil ich hier im Zukünftigen bin. Dann sehe ich ein Becken. Am Ende des Raums. Man bittet mich, hineinzugehen. Alle sprechen von einem Bad in der Menge. Auch hier gibt es eine Verschiebung. Im Verständnis. Ich gehe die Stufen hinunter. Und tauche ein. Ich tauche unter. Und da ist ein Sog. Der mich nach unten zieht. Und dann stehe ich wieder vor der Tür. Mit dem Code.

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