Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Samstag, 12. Dezember 2020

Kunst.Stoff


Am 27.11.2020 erschien die neue Ausgabe des Wiener Magazins FLUCH´T`RAUM (Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft) mit Texten und Fotografien von Orla Wolf.

Thema der aktuellen Ausgabe #8: Kunst.Stoff 

Donnerstag, 10. Dezember 2020

Mittwoch, 2. Dezember 2020

Dienstag, 24. November 2020

Bildcluster

 

Hier gibt es Stege.

Sie sind pudrig angelegt.

Und immer überlappt etwas die darunter liegende Schicht.

Ich kann nichr erkennen,

ob die Räume gefaltet oder zerklüftet sind.

Das Papier, der Grund, ließe sich entschärfen.

Doch dann wäre alles glatt und das Bild gezähmt.

Flash Poetry (7) : Black Mountain

 

Man

hält sich

jetzt Uranus in Halle 2.

Er gleicht einem Ohr und horcht in uns hinein.

Mittwoch, 11. November 2020

Samstag, 31. Oktober 2020

Flash Poetry (2) : Herbst

In der Stille die Erinnerung verlieren.

Alles scheint jetzt Schlaf zu sein.

Das Schiff ist leer.

Nach langem Warten

blinzelt die Sonne durch den See.

Flash Poetry (1) : Geheimnis

Die Dinge wussten vom roten Wald –

noch bevor das Gewitter sein Versprechen

in die Nacht flüsterte.

Montag, 26. Oktober 2020

Hirnschnupfen

Da war doch was. Guck mal! Im Bett, da bewegt sich was. Da --- das Weiße! Aber für mich ist das schon wieder die Erleuchtung. Jetzt hab´ ich erstmal wieder meine weiße Wand. Bräuchtest jetzt ´ne Sonnenbrille. Ganz schön hell hier. Alles Urlaubskäufe. Jeden Urlaub eine Sonnenbrille. Das ist die Gleichung: Urlaub = Sonnenbrille.

Ich hab noch ´was Helles. Waschpulver. Damit kannste dir auch die Haare färben. Ist billiger. Oh Gott, ich tret´ auf was. Dachte, das wär der Hund. Musst einfach alles glatt spachteln. Jaja. Das kann der Joschi auch. Ist ja Zimmermann. Hat mir früher viel gezeigt. Hat den ganzen Bauschutt weggeräumt. Ich meine, einfach nur was kaufen – Lampe mit Fassung oder so, das kann ja jeder. Aber ´nen Kronleuchter. Wir können ja mal ´n Brainstorming machen. Wir haben auf Arbeit Kunststoff. Und wenn man daraus Würfel macht – und dann in die Mitte die Glühbirne... Die können wir kaufen gehen. Da brauchen wir ein Sammeltaxi. Und aus dem Blech, das meine Kollegin gekauft hat, hat sie ein Badezimmer gebaut. In ihrem Wohnzimmer. Ich kenn´ das aus England. Musst das Verschraubte einfach aufschrauben. Dann Transparentfolie. So halbdurchsichtig. Angeraut, aber nicht lackiert. Meine chronische Sehnenscheidenent-zündung. Ich muss trotzdem das Handgelenk steif machen. Meine Mutter hat früher Schreibmaschine gelernt. Mir ging´s kacke. Hatte erhöhte Temperatur. Will dich nicht anstecken. Also wenn du das nächste Mal erkältet zur Arbeit kommst... Sag Bescheid. Dann kann ich nicht. Da war ich nicht auf Arbeit. Dann hatte ich den Wasserschaden. Du hast mich angesteckt. Scheißegal, wen ich angesteckt habe. Das Ohr. Das Ohr auch. [lacht]  Ich hab´ Hirnschnupfen. Aber ich jammer ja nicht. Hab das nur mal so eingeworfen. Ich trink Ingwertee. Dann geht das weg. Oder nehm´ zwei Jahre alte Tabletten. Ohne Fallgeräusche. Und dann im Boden versinken. Ertrinken. Nicht getarnt. (was es auch nicht besser macht.). Oder sich kopfüber in einen Zwetschgenbaum hängen. Immer bist du versöhnlich. Immer willst du allen gut sein. Die Angst hat große Augen. Marsch, zurück in die Berge.

Dienstag, 6. Oktober 2020

Playback der Umgehungsstraße

1

Eigentlich ist hier gar nichts.

Kein Geräusch. Kein Wind.

Es riecht nicht einmal.

Aber vielleicht übersehe ich etwas.

Oder täusche mich sogar.



2

Hier müsste etwas sein.

Irgendein Ton oder Windhauch.

Vielleicht ist hier auch etwas,

das ich übersehe.

Oder ich täusche mich sogar.



3

Hier ist etwas.

Motorengeräusche, Fahrtwind und Asphalt.

Hier ist etwas.

Denn nichts hier ist live.

Donnerstag, 17. September 2020

Nacktschneckenglossar

Nach dem Regen führt der Weg aus den Hecken.

Unsere Gehäuse haben wir abgelegt.

Ein Mantel dient jetzt als Schild.

Unsere Weichkörper sind sehr empfindlich.

Jemand nannte sie ziegelrot.

Mit unseren Fühlern ertasten wir Pflanzen,

die wir in uns verstecken.

Wir bewegen uns weiter durch Wiesen und Moor.

Wenn das Licht kommt,

ruhen wir und träumen von Häusern,

die auf uns wachsen.

Montag, 7. September 2020

Labyrinth

Ich ging die Straße hinunter in Richtung See.

Dann stand ich plötzlich vor der stillgelegten Fabrik.

Sich befand sich eigentlich am Ortsausgang südlich von hier.

Da war ich mir sicher.

Ich setzte meinen Weg fort und erreichte den Steinbruch.

Er lag sonst ganz im Norden des Ortes.

Alles in mir drängte nun zum See.

Dort stand jetzt mein Haus.

Das Gewässer war verschwunden.

Und auch ich war schon anderswo.

Sonntag, 30. August 2020

WE ARE ALL HUMAN - TV Mini-Serie




WE ARE ALL HUMAN - jetzt auf Amazon Prime!
 

A collection of short films which all evolve around human rights and hope to raise awareness to make the world a better place.

Die in den USA und Deutschland gedrehte TV Mini-Serie umfasst vier Episoden und läuft ab sofort auf Amazon Prime US & UK.

Orla Wolf schrieb das Drehbuch zur ersten Episode von WE ARE ALL HUMAN

Link zur Serie: www.amazon.com/dp/B086RSR6DK 

Viel Spaß!

Samstag, 15. August 2020

Notizen aus den Rossbreiten


In einem Logbuch blättern -
und mit der Hand die gemaserten Seiten glatt streichen.
Schließlich den gesuchten Eintrag finden:
„Das Plateau ragte aus dem Meer.
Von hier ließ sich die offene See beobachten.
Alles, was man sah, war jedoch stumm –
sogar dann, wenn einmal eine Welle gegen den Fels schlug.

Über dem Wasser schien eine Haut zu sein.

Alles hier war weiß – auch die Zeit,
die sich durch die lange Stille hindurch immer deutlicher zeigte und in das Meer strömte, um irgendwo dort draußen vielleicht auf sich selbst zu treffen.

Die Gegend um das Plateau war zeitlos,
bis unser Schiff eintraf und der Wind ausblieb.“

Donnerstag, 16. Juli 2020

Die Zeichenbrücke


Es war eine ganz einfache Konstruktion: Ich hatte drei Baumstämme dicht aneinandergelegt und sie mit einem Seil zusammengebunden. Meine Brücke ragte über einen Fluss, der zwar nicht sehr breit war, aber seine Strömung  stark. Meine Furcht galt dem tosenden Wasser dort unten. Ich kann nicht schwimmen.
Über meine Brücke aus Stämmen wollte ich ans gegenüberliegende Ufer gelangen – so mein Plan. Ich hatte mehrere Tage und Nächte am Fluss verbracht, war mit sicherem Abstand zum Wasser an der Böschung auf und ab gegangen und hatte immer wieder hinüber geschaut. Mich interessierte der Fels jenseits des Flusses. Er war sehr steil und makellos glatt in seinem Schiefergrau.
Vorsichtig balancierte ich über die Stämme und erreichte das gegenüberliegende Ufer. Ich ging direkt auf die Felswand zu. Mit meiner Hand berührte ich ihre Oberfläche. Und tatsächlich: Sie war vollkommen glatt und sehr kühl -  fast so, als hätte man sie mit einem ganz feinen Nebel besprüht. Neugierig rieb ich mit dem Stoff meines Ärmels über das Gestein. Das Gewebe blieb jedoch vollkommen trocken. Dann nahm ich einen scharfkantigen Stein und ritzte einen Hirsch in die Wand – so, wie ich es in den Höhlen zwei Täler weiter schon häufiger getan hatte. Hier draußen im Schein der Sonne jedoch konnte ich viel genauer arbeiten als im Halbdunkel der Höhlen. Ich war im Freien ausdauernder mit Augen und Händen. Der Hirsch gelang mir. Das Bild war besser als alles, was ich bisher geschaffen hatte.
Dann dämmerte es, und ich ging wieder zurück über meine Brücke. Und während ich hinüberlief, beschloss ich, schon morgen wieder zum Fels zu gehen. Ich erwachte früh, lauschte den Vögeln und dem Fluss, aß und trank etwas – und erreichte gestärkt und freudig den Fels, der heute silbrig glänzte. Schon stand ich wieder vor der Wand. Ihre Fläche schien mir von grenzenlosem Ausmaß. Wieder nahm ich den scharfkantigen Stein und ritzte etwas in den Schiefer. Heute war es eine Speerspitze - zwei aufeinander zulaufende Linien, die sich schließlich an ihren jeweiligen Enden berührten. Die Speerspitze selbst zeigte nach oben. Und mein Blick folgte dieser Richtung und wanderte weit über die Speerspitze hinaus, bis ich eine Kante erblickte und innehielt. Dort saß etwas – oder hockte vielmehr. Und obwohl die Kante weit über mir lag, konnte ich es genau erkennen. Es war eine Eule – eigentlich nichts Besonderes in dieser Umgebung – aber die Eule war rot. Dieses Rot stach, und ich musste meine Augen schließen, um dann vorsichtig blinzelnd wieder hinzuschauen. Das Tier war schön. Und ich fand ein Wort, das es beschrieb: Feuervogel. Und obwohl er sich nicht rührte, hatte mich der rote, leuchtende Vogel womöglich von dort oben längst erspäht und würde gleich schon wieder davonfliegen.
Ich aber wollte das Bild einfangen, festhalten, es an mich binden  - sehenden Auges. Da löste sich etwas heraus aus mir, das bei der Betrachtung des Feuervogels in mir gewachsen war. Und es formte sich ein Laut, der jetzt Gestalt annahm mit einer einzigen Bewegung meiner Hand: Ich verband die beiden Linien, die bereits meine Speerspitze bildeten, mit einer Querlinie, sodass sich auf der Felswand ein Dreieck bildete, das auf zwei Beinen stand. Und ich sprach den Laut aus, den ich jetzt auch sah: A. Ich hatte ihn in ein Bild gegossen. Ich hatte den Feuervogel gebändigt. Er ging ein in mein Bild. Er war jetzt da. Und er würde fortan immer dort sein für mich. Er flog nicht mehr fort. Er war unvergänglich und zeitlos in diesem A.
Ich sah meine Beute, meinen Gefangenen an. Er stand mir jetzt gegenüber. Und während ich das Zeichen betrachtete, das ja meines war, stand da plötzlich ICH. Da stand ich. Plötzlich stand ich da. Ich war da. Ich war Feuervogel und A zugleich. Ich hatte ihn, es und auch mich geschaffen - mit und in diesem A.
Am nächsten Tag verlieh ich einem anderen Bild Ausdruck und nannte es B. Es folgten vierundzwanzig weitere Tage. Zuletzt sah ich die Spiegelung des Vollmonds im Wasser und ließ das, was ich sah, als Laut heraus und in ein weiteres Zeichen einfließen: Das Z.
Dann lernte ich zu buchstabieren, zu lesen, eine Geschichte zu schreiben. Ich lud Fremde zu meiner Felswand ein und las ihnen vor – immer und immer wieder. Auch sie lernten schnell und begannen, ihre eigenen Geschichten zu schreiben. Wir verliehen uns Ausdruck. Es zog uns jetzt alle zu den  Zeichen hin  - und jeden Tag gingen mehr und mehr von uns über die Brücke zur Felswand hin. Wir schrieben. Wir schrieben uns ein. Wir schrieben uns fest. Wir träumten davon, zeitlos zu werden - unendlich in den Zeichen. Und wir zähmten uns mit den Zeichen.
Früher in den Höhlen hatten wir Erzählungen gelauscht und Zeichnungen gesehen, die die Natur beschrieben – als harten, rauen, unwirtlichen Ort. Und auch wir waren so – von dieser Natur. Jetzt schrieben wir andere Geschichten: Das Moos war weich, der Nieselregen zart – und ebenso das Fell und Gefieder der Tiere. Wir waren es auch – unsere Haut und unsere Blicke. Wir erzählten uns unsere Geschichte und schrieben sie auf: Wie wir als Urwesen der Ursuppe entstiegen, zum Urmenschen wurden, im Urstromtal lebten, wo alles urig, aber auch urgewaltig war - und wir weiterzogen in den Urwald hinein, wo wir uns schließlich mit einem Gott überwarfen, den wir uns nach unserem eigenen Bild erschaffen hatten. Das war die Ursünde.
Wir entwarfen ein Urbild unserer selbst, und der Urkampf um dieses Bild tobt bis ins Heute hinein: Die Ähnlichkeit mit diesem Bild kämpft gegen die Abweichung von diesem Bild – gegen seine Nicht-Entsprechung. Das Andere war geboren. Wir wurden ausschließlich. Wir formten uns nach unserem Urbild, wollten ihm ähnlich sein. Da war diese Sehnsucht, gleich zu sein. Alles andere bekämpften  wir. So wurden wir. Und als ein Jemand nahmen wir Kontur an, schliffen uns weiter. Wir schrieben weiter - tausend und eine Geschichte, um eine Geschichte zu haben. Wir schrieben weiter, wir fingen neue Wörter ein: Liebe, Traurigkeit, Begehren und Hass. Der Krieg zog ein in unsere Geschichten. Wir schrieben für etwas. Wir schrieben gegen etwas. Wir starben für ein Wort – auch wegen eines Wortes. Jemand sprach einmal: Kein Sterbenswort mehr, ihr Worte. Es war eine Mahnung, die wir unerhört fanden. So machten wir weiter, füllten Seite um Seite, Buch für Buch.
Irgendwann waren da zu viele Zeichen. Wir wurden mehrdeutig. Was war die Wahrheit? Jemand sprach aus, was es war, das uns störte: Komplexität. Und wir wurden der Zeichen, die all das beschrieben, überdrüssig. So schnitten wir sie zurück, wir stutzten sie – wir wollten zurück zum ersehnten Ursprung, der auch eine Geschichte war. Da war diese Sehnsucht nach einem einfachen Grund. Mit den Zeichen waren wir Vieles geworden – auch menschlich. Diese Menschwerdung jedoch war uns zu viel geworden. Wir waren uns selbst zu viel. Zu viel Mensch, der sich in seinem Menschsein nicht mehr aushalten konnte. Die Flut der Zeichen war zu einer Flut der Möglichkeiten geworden. Wer also bin ich? Nichts. Ich will nichts mehr sein. Ich will aufgehen und mich vergessen. Ich will untergehen, wieder einsilbig sein, einfältig. Eins. Eins mit der Natur. Ich will rau sein, hart. In mir soll es unwirtlich sein. In mir soll ein  Krieg toben. Die Zeichen sollen sich abschlachten in mir. Endlich ist Ruh´.
Die Brücke haben wir zerstört. Wir haben die Baumstämme mit einer Axt zerschlagen und ins Wasser geworfen. Sie sind nicht untergegangen. Die Strömung hat sie fortgetragen. Es ist still geworden. Die Zeichen an der Wand haben wir ausgelöscht. Es gibt nichts mehr zu lesen. Wir haben unsere Geschichten getilgt – auch unsere Geschichte. Dort, wo einstmals die Zeichen standen, sind jetzt Leerstellen. Aber diese Leere ist womöglich ein Platzhalter für das nächste menschliche Zeichen.