Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Mittwoch, 24. Mai 2023

morgen des 5. / raunacht

 

der wald kam bis zu den randsiedlungen der stadt.

dann ging er ueber sie hinweg,

und wir versteckten uns in den katakomben.

 

an diesem wintermorgen erhebt sich der uhrmacher von seinem lager (wir schlafen auf laub, das wir in plastiksäcke gestopft haben) und spricht von einem himmelskörper.

 

er tut dies, als wuerde er von einem menschen erzaehlen – mit haut und haar.

 

der uhrmacher selbst moechte sich in wind verwandeln und in einem stroemungskanal leben.

die form der umstroemung eines koerpers haengt von ihrer reynolds-zahl ab, sagt er.

 

er ist verrueckt geworden, sagt jemand.

er hat die zeit aufgegeben. oder sie ihn, sagt ein anderer.

 

jemand kommt zurueck. es ist einer unserer spaeher, der am eingang war.

das wetter schlaegt um, sagt er, spruehregen.

er hat eine bluete mitgebracht.

 

zu frueh, sagt jemand, es ist doch noch winter.

 

der wald hat sie mir geschenkt, als ich kurz aus der katakombe trat, sagt der spaeher.

sie ist ein vorbote des gewitters, sagt ein anderer,

ich sehe es an ihrem bluetenstand.

 

sie ist ein vorbote fuer alles, entgegnet der uhrmacher –

und verwandelt sich in etwas,

fuer das die zeit jetzt gekommen ist.

 

 

Montag, 22. Mai 2023

einfall der nacht

 

mir waechst jetzt auch haut zwischen den fingern.

wenn ich sie spreize,

sehe ich ziffern auf ihr.

vielleicht ist das der preis,

den ich dafuer zu zahlen habe.

 

ich ahne:

meine haende sind ein schwarzmarkt geworden

und handeln zu einem kurs,

den ich nicht kenne.

 

so kann ich nicht bleiben,

wo ich immer war –

und nehme ein zimmer in einem hotel.

 

wenn ich aus dem fenster schaue,

sehe ich ein winterbild.

mein mund wird immer ganz salzig davon,

und mein blick versteint.

ich warte dann auf die nacht,

die das bild in sich aufnimmt,

zerkaut und schließlich herunterschluckt.

(es kommt wieder)

 

hier im zimmer stuermt es dann.

ich finde das schoen.

und meine haende mit der haut dazwischen sind jetzt segel,

die mich heraustragen –

zu den baeumen hin.