Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Montag, 26. Juli 2021

linien. striche. risse.

 

wieder stehe ich vor dem bild.

paris. 14.08 uhr.

hinter den fenstern fällt regen.

fädiges schiefergrau.

den audioguide stummgeschaltet.

auf dem bild eine landschaft.

mit schulterhohen pflanzen.

so weit das auge reicht.

darin weiße kelche. blütenschwer.

 

ich sehe mich. fest.

 

ich sehe weiter.

mein blick ist jetzt am unteren rand.

da ist etwas. inmitten der pflanzen.

ein kokon. vielleicht.

und ich gehe noch näher heran.

ich stehe auf echtholzparkett. eiche natur.

das ist der boden dieser gemäldelandschaft.

 

hinter dem strich auf dem parkett beginnt die gesicherte zone.

sensoren. elektroden. bewegungsmelder.

ich bewege mich weiter. auf das bild zu.

im saal bleibt es stumm.

 

ich blicke wieder auf die stelle.

inmitten der pflanzen.

das ist kein kokon.

ich sehe aufgesprungenes gewebe.

risse. fäden. eine klaffende wunde.

 

durchlass und augensog.

 

ich gehe weiter. schlüpfe hindurch.

schon bin ich hinter der leinwand.

auch hier sind die pflanzen.

und es ertönt kein alarm.

Freitag, 23. Juli 2021

fata morgana_ monolithisch

 

hinter der hügelkette eine aschelandschaft:

schwarz und staubig.

dazwischen geröll.

es ist windig.

die wolken fliegen auf uns zu.

ziehen über uns hinweg.

wie große vögel mit flatternden schwingen.

immer wieder bedecken ihre schatten unsere hälse und gesichter.

 

jetzt wieder ein flügelschlag.

direkt über mir.

ich schließe die augen.

und als ich sie wieder öffne,

hat sich die landschaft verändert.

 

in ihr steht etwas.

es ist hoch und sehr schmal.

ein weißer strich.

wir kommen näher.

vielleicht ein sendemast.

 

wir gehen weiter.

gleich sind wir da.

weißes metall.

es wirkt kühl und sehr glatt.

und als wir es berühren,

verschwindet die landschaft.

Mittwoch, 21. Juli 2021

freigang

 

hinter den zeichen

begegnen mir gräser und äste,

die ich (nach langem schauen)

zu sträußen binde.

 

ich warte auf einer lichtung,

bis alles geschwärzt ist.

von der nacht umspannt,

schenke ich ihr die sträuße.

 

das walddunkel ringsum zersplittert.

und ich folge jetzt einer silbrigen spur,

der meine blicke entspringen.

Sonntag, 11. Juli 2021

Siedender Ort

 

Der Dialekt des Pfaus

stürmt

in meinen

singenden

Mund.

 

Schon

sehe

ich mich

im Federkleid.

 

Unter meinen Flügeln

wächst

jetzt

eine flüssige Landschaft.

 

Und über mir

löst

sich

 

der Himmel.