Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Sonntag, 30. Juni 2019

Den Unken gewidmet

Das Haus gibt Zeichen.
Es steht direkt an der Grenze.
Und speist das Land.

Die Fische sind schon da.
Sie bewegen sich dort, wo das Licht ist -
wo es flirrt.

Das zu sehen, hat etwas Tröstliches.
So gibt es vielleicht doch eine Verbindung zum Wasser.
(das irgendwo hinter der Sonne liegt)

Das Haus bewegt sich.
Und ringsum wächst die Landschaft -
vor mir jetzt ein Garten.
Etwas abseits bilden sich Fjorde.

Und alles berauscht sich daran.

Montag, 24. Juni 2019

Installation (3)

Ich wohne jetzt in den Wäldern.
Sie sind mit einem Netz überspannt.
Wenn ich auf einer der Lichtungen stehe
und nach oben blicke, sehe ich,
dass es mit dem Himmel verwoben ist.
So gibt es eine Verbindung zwischen Luft und Holz.

Die Blüten der Pflanzen hier unten sind von besonderer Art:
Sie gleichen Zeigern und weisen ins Jahr.
Meine Augen folgen dieser Richtung.

Dort hinten ist es schattig.
Und ich empfange Signale aus diesem Bereich,
die (so vermute ich) von den Tieren ausgehen.

Es sind Sonderzeichen.
Sie weisen mich an, hinunter zum See zu gehen.

Dort gibt es Nebelbänke (darin tarnt sich die Zeit, sagt man mir),
die ich mir unter die Zunge lege -
und später (bei meiner Rückkehr) in das Gewebe der Wälder atme.

Sonntag, 23. Juni 2019

Glas

Die Hagebutten sind leiser in diesem Jahr.
Ich lausche einigen Passagen ihrer Gespräche.
Fast flüstern sie schon.

Irgendwann werden sie lautlos sein -
und sich in Zypressen verwandeln.
(davon erzählen sie)

Dann höre ich ein Splittern.

Aus ihrem Holz wird man Uhrwerke schnitzen.
So werden sie lesbar sein - wieder stimmhaft sein -
und sich in die Landschaften ringsum auspflanzen.

Sie werden bis in das Gebiet der Echsen kommen.
Und mit ihnen neue Provinzen gründen.

Das, was dann von ihnen gemeinsam ausgehen wird,
gleicht magnetischen Wellen.
Sie werden alle Gebäude aus den Städten ziehen.

Dann steht ein Gedanke im Raum.
Noch ist er leer - und das Licht bricht sich in ihm.

Sonntag, 16. Juni 2019

Garten

Ich halte mir Zierfische.
Sie leben in Quarzsand.
Dort ist es schattig.

Nebenan wohnen Zikaden.
Ihr Gemüt ist sonnig.

Gestern haben sie beschlossen,
einen Fluss zu trinken.
Sie tarnen sich als Seeanemonen
und arbeiten mit Zwischenwänden.

In ihrem Bericht wird später von einem Gesicht zu lesen sein,
das sie sich ausgeliehen haben.
Es ähnelt Pflanzen -
und seine Haut riecht nach Holunder.

So warte ich an diesem Nachmittag,
bis die Wurzeln meine Augen erreichen.

Sonntag, 9. Juni 2019

In westlicher Richtung

Mit jedem Schlag der Turmuhr reisen Zeichen
in ein Areal meines Hirns.

Hier werden sie zu Beats -
und ich pumpe sie in die Wasserleitungen dieser Straße.

Sie verteilen sich in alle Himmelsrichtungen -
und gelangen so auch in ein Hotel,
das am linken Rand der angrenzenden Landschaft liegt.

Schon verfärben sich die Fenster.
Sie werden gelb.

Ringsum bewölkt es sich jetzt.
(ein Gewitter zieht auf)

Und in meinen Zellen wird es halbdunkel,
bis der nächste Schlag der Turmuhr wieder Lichteres bringt.

Mittwoch, 5. Juni 2019

Brut

In den Straßen hat etwas zu sprechen begonnen.

Ich blicke nach oben -
und dort in den Bäumen sind Lippen,
die Wörter formen.

Es sind Versprechen, die jetzt auf mich hinuntertropfen
und in meinem Haar zu gläsernen Korallen werden -
das spüre ich.

Ich sehe noch einmal hin.

Zwischen dem Laub entdecke ich unzählige Nester -
mit Mündern darin.

Sie summen.

Und dieses Geräusch erinnert mich an einen Fahrstuhl.
Er hat zwölf Türen,
die sich nun langsam öffnen.

Dahinter sind Schnecken auf einer Marmortreppe -
alle in ein Gespräch vertieft.

Montag, 3. Juni 2019

Getöse

Ich atme im Eis der Zeit.
Sie liegt geschichtet in meinem Kopf.

Jetzt höre ich die Stimme des Nachtvogels.

Es ist Mitternacht -
und die Stadt geschlossen.

Der Vogel ist hier.
Er bewegt sich im Stadtplan,
der an meiner Wand hängt.
Schon sehe ich ihn auf der Chausseestraße.

Sein Federkleid ist heute blau -
und er trägt eine Perücke.

In seinem Schnabel ist etwas.
Beute.
Wörter. Und Gegenstände.
Belebtes. Und Unbelebtes.
Darunter wilde Blumen.

Unsere Augen begegnen sich.
Und es liegt eine Weissagung darin:
Ich werde den Verstand verlieren -
und fortan anders verstehen.