Ich habe etwas verloren. Im Wald. Ich weiß
nicht, was genau. Was es ist. Da ist nur dieses Gefühl. Eines Verlustes. In
mir. Ich ahne, dass ich etwas verloren habe. Im Wald. Und so mache ich mich auf.
Zurück. In den Wald. Den ich vor einigen Stunden durchwandert habe. Es ist ein
dichter Tannenwald. Die Wege sind ganz weich. Und federnd. Es gibt Moos. Sternmoos.
Und an einigen Stellen wächst Farn. Ich folge dem Hauptweg. Die Liste der
möglichen Verluste ist lang. Im Wald. Ich denke an Ringe, Knöpfe, Schlüssel, Ketten,
Telefone und Fotoapparate. An Handschuhe und Uhren. Münzen und Zigarettenetuis.
Mir kommt der Gedanke, dass der Wald einen Magen hat. Und die ganzen verlorenen
Gegenstände dort sind. Halb verdaut. Oder der Wald eine Wunderkammer
eingerichtet hat. Eine Kuriositätensammlung. Aus Verlustobjekten. Jeglicher
Art. Ich biege ab. Und gehe auf einem Nebenweg weiter. Ich erinnere mich gut. Hier
bin ich gewesen. Aber mein Blick ist jetzt anders. Anders als vorhin. Weil ich
ja etwas suche. Etwas wiederfinden möchte. Irgendwo. Hier. Auf dem Waldboden. Und
dann sehe ich, dass die Tannennadeln Buchstaben sind. Ich lese. Ich lese den
Text. Das ist wie ein Band. Ein Spruchband. Und während ich lese und sich die
Wörter zusammensetzen zu einem Netz, weiß ich plötzlich, was ich suche. Und was
ich gefunden habe. Ich steige ins Netz. In das Netz aus Wörtern. Das sich
jetzt aufspannt. Zwischen den Bäumen. Quer über den Weg. Es ist ein großes Netz.
In dem ich hier bin. Und herumklettern kann. Bei jedem Schritt gibt es eine neue
Verbindung. Im Netz. Es sind Brücken. Brückenschläge zwischen den Wörtern. Ich
habe jetzt neue Wörter. Vor mir. Und um mich. Es müssen hunderte sein. Und
das Netz wird immer engmaschiger. Dichter. Und feiner. Bis es gegen Abend zu
einer Wand geworden ist. Die sich dann schließt. Die Wand steht jetzt woanders.
An einem anderen Ort. Und ich verschiebe diese Wand. Seither. Denn hinter ihr ist
etwas. Es ist immer das, was ich suche.
Donnerstag, 30. Juni 2016
In den Schränken
Ich bin zum Möbelhaus gefahren. Und habe
mich in einen Schrank gesetzt. Der Schrank ist weiß. Und sehr geräumig. Sodass
ich gut hineinpasse. Ohne irgendwo anzustoßen. Ich sitze frei. Frei im Schrank.
Es dauert nicht lang, und die Schranktür öffnet sich. Vor mir steht jemand. Auf
Hüfthöhe. Ich muss ein bisschen nach
oben schauen. Um das Gesicht zu sehen. Ich sehe nichts. Denn die Tür wird
direkt wieder zugemacht. Sehr schnell. Und es knallt. Ein bisschen. Ich lockere
meine Knie. Aber schon geht sie wieder auf. Die Tür. Ein suchender Blick. Ich lache.
Und es wird dunkel. Im Schrank. Ich winkle die Beine an. Jetzt wieder Schritte.
Die sich nähern. Die Tür wird ganz langsam aufgemacht. Dann ein leiser Schrei. Ich
möchte neutral bleiben. Neutral gucken. Wir sehen uns an. Da ist etwas
Flackerndes. Im Blick. Meines Gegenübers. Können Sie mir den Schrank empfehlen?
Ich antworte nicht. Die Tür schließt sich. Wieder. Ich schlage die Beine übereinander.
Dann ein erneutes Öffnen. Jemand fordert mich auf, den Schrank zu verlassen. Ich
gehe. In die Küchenabteilung. Um ein wenig von mir abzulenken. Dann kehre ich
zurück. Zu den Schränken. Diesmal wähle einen aus Echtholz. Und öffne die Tür.
Da sitzt jemand. Im Schrank. Wir sehen uns an.
A: Warum sitzen Sie hier?
B: Ich mache eine Pause.
A: Eine Pause wovon?
B: Ich kann nicht den ganzen Tag im
Restaurant sein. Und nur essen. Und trinken.
A: Ich verstehe nicht.
B: Ich bin Statist. Tagsüber. Ein
Restaurantbesucher. Nachts schlafe ich in den Schränken. Wie alle. Hier.
Mittwoch, 29. Juni 2016
Projektoren
Ein
Barockschloss
weben.
Und
Bäume
in
ein
Magnetfeld
schieben.
Um
Mitternacht
spiegelt
mein
Kopf
ein
unterirdisches
Gebäude.
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