Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Freitag, 27. August 2021

Unbehaust



Es gibt ein Gerät,

das aus einem Raum ganze Landschaften macht.

Ich halte es in meinen Händen,

während ich auf einer Lichtung stehe.

Der Mantel, den ich trage, ist weiß -

aber er verändert sich hier.

Wenn ich an mir hinunterschaue,

wird er dunkler und dunkler.


Ringsum brennt es jetzt.

Es ist ein großer, kraftvoller Brand,

der sich von Ort zu Ort fortpflanzt.

Allumfassend.

Es wird ein Weltenbrand.

Das sehe ich.


Ich betrachte das Gerät und drücke eine Taste.

Schon bin ich in einer Stadt.

Aber das Feuer ist mir gefolgt.

Sein Geruch durchweht schon die Straßen.

Es wird auch gleich hier sein.

Ich blicke mich um.

Es kommt durch die westlichen Vorstädte.


Niemand ist mehr hier,

um seiner Ankunft beizuwohnen.

Die Stadt ist verlassen.

Und auch die Häuser und Straßen ziehen sich leise zurück.

Das Feuer holt sie ein und rodet alles.


Über mir ist jetzt ein Satellit,

der alles aufzeichnet.

Wieder drücke ich eine Taste,

und er neigt sich leicht und bewegt sich in östliche Richtung.


Von Mitternacht an wird er nur noch kahle Bilder senden.





Donnerstag, 19. August 2021

Ringsum

 

Dies ist ein vorläufiges Uhrwerk.

Schon seit Stunden (grob gemessen)

schafft man mit Fahrzeugen die Gezeiten heran.

 

Ihre Wellen treffen hier auf Urbanes

und verdampfen während langer Stunden,

bis man irgendwann auf etwas Kristallines schaut.

 

Alles schmeckt jetzt salzig.

 

Und im Marmor der Bauten und Häuser wachsen neue Motive heran:

Weißkörnige Ohren,

die (so hofft man) den Schlag der neuen Stunde hören.

Montag, 16. August 2021

leitungen_zweifelnd

hier ist etwas

vor mir im sand

es sucht

und sehnt

fließendes herbei

lava vielleicht

die alles berührt,

ummantelt,

porig versiegelt


so geschieht es wohl immer:

porig


taucht man dann

in ihr inneres ein,

so leben dort nebelbänke -

gelbstichig,

die mit ihrem eigenen atem spielen

wenn später das signal

(einsam klingend)

aus den tiefen kommt,

verwebt sich in dieser nacht alles

mit den lichtern des nordstrands


gegen morgen zerfällt das netz

(meine augen brennen vom schauen)

unzählige stränge liegen jetzt vor mir,

die sich später neu ausrichten werden -

auf etwas unbekanntes hin

Mittwoch, 11. August 2021

Erkenntnis

Diese Landschaft ist

aus verschlungenen Pfaden gemacht.

Betrachtet man sie von oben

(aus den Kronen der Bäume),

blickt man in ein Waldgesicht -

mit Augen aus Blättern und Zapfen.
 

Dringt man weiter vor

(bis in die Mundhöhle),

so stehen dort feingliedrige Robinien,

die ölig schimmern. 


Man fühlt sich ganz steinig bei diesem Anblick -

und sehnt sich etwas Strömendes herbei,

das einen aus dieser Landschaft herausträgt.

Montag, 9. August 2021

strömung II

 

in der

schwärze schwimmen

 

irgendwo zwischen

den turmuhren

wird das

wasser nackt

und mündet

in seinen

 

anfang

Donnerstag, 5. August 2021

skinny

 

man sah es mir an:

ich ging hungrig durch die welt

und durchstreifte sie wie eine shopping mall.

mich zog es hinaus. fernes zog mich an.

ich flog. transatlantik. und wieder zurück.

ich kostete die alte und die neue welt.

ich reiste weiter.

und schmeckte, schluckte, zerkaute beide.

da war ein geschmack. ich kam auf den geschmack.

er blieb eine zeit lang.

 

am ende des sommers, ich saß an einem römischen brunnen,

wurde das wasser immer lauter, das licht greller, und die häuser ringsum kamen auf mich zu.

ich schloss die augen, hielt mir die ohren zu, schwitzte.

mir wurde die welt zu viel.

ich hielt sie nicht mehr heraus aus mir.

die welt legte sich in mich.

ich spürte sie.

eine abendfüllende übelkeit.

 

gegen mitternacht spie ich die welt wieder aus.

ich gab alles zurück. wieder an diese welt.

und stand leer in ihr.

aber je mehr ich abwarf, hinauswarf aus mir,

desto schwerer fühlte ich mich.

 

ich zog wieder hinaus. noch weiter und tiefer in die welt hinein.

diesmal biss ich mich fest in ihr.

sie schmeckte süß und bitter zugleich.

die welt wog schwerer denn je. sie hatte zugenommen.

keine waage zeigte das.

wieder wollte ich die welt abwerfen, hinauswerfen aus mir.

ich übergab mich.

ihr.

und machte weiter.  

 

ich trank jetzt nur noch softdrinks mit taurin.

energy. energetisch. energieverlust.  

warf alles ab und hinaus aus mir.

und indem ich an gewicht verlor, gewann ich.

ich wurde die light-version meiner selbst.

leicht, ganz leicht, würde ich aus diesem kampf hervorgehen.

 

heute gleiche ich einem strich, der durch die welt geht.

er zerteilt auch mich.

die welt fasst mich noch immer an. sie berührt mich weiter.

damit das weggeht (weltgefühl), damit sie vergeht,

muss der raum in mir noch kleiner werden.

ich schnüre alles in mir zusammen.

 

für eine abnehmende welt.

 

es ist ein hohlwangiges gesicht,

in das ich jetzt im spiegel schaue.

meine beine gleichen dünnen hölzern.

aber ich gehe weiter.

bis ich untergehe.

 

und dass ich vergehe, erleichtert mich sehr.

Montag, 2. August 2021

endspiel

 

ich fahre mit dem lift ins tal.

wiesen. so weit das auge reicht.

im winter fährt man hier ski.

das gras ist frisch gemäht.

nur der geruch dazu fehlt.

 

ich gehe bis an den rand.

dort ist die weißgestrichelte linie.

hier warte ich.

das spiel beginnt.

 

irgendetwas bewegt sich am anderen ende des tals.

ich setze die brille auf.

augmented reality.

jetzt sehe ich meinen gegner.

 

wir haben beide gewartet.

heute stehen wir uns wieder gegenüber.

face to face. mit verpixelten gesichtern.

der abstand zwischen uns wird von level zu level größer.

that´s part of the game.

heute ist mein gegner nur noch ein schmaler strich am rande dieser landschaft.

 

dann höre ich das signal.

wir gehen beide über das grün,

kommen aufeinander zu,

werden größer und größer.

und ziehen dann aneinander vorbei.  

 

ich sage nichts (darum geht es ja).

mein gegner hingegen verliert ein wort.

und verliert.

jeder bewegt sich weiter in seine richtung.  

schließlich erreiche ich den rand der wiese.

 

auf dem display erscheint mein name.

hall of fame.

 

noch bevor ich mit dem lift wieder nach oben fahre,

gehe ich zur linie.

meine schuhspitzen berühren ihr weiß.

eben noch hat hier mein gegner gestanden.

 

ganz real.

 

ich sehe mir alles noch einmal an.

die ganze landschaft.

das grüne tal.

mit seinen weißen strichen am rand.

von denen dieses spiel seinen ausgang nahm.