Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Montag, 20. März 2017

Ein Spiegel




Mein Haus ist ein Spiegel. Der Spiegel ist rot. Und weich. Es ist ein samtiger Spiegel. In dem es sich gut wohnen lässt. Es ist ganz still hier. Weil das Rot die Töne in sich aufnimmt. Und so sind alle Geräusche und Gespräche in den Fasern des Rots gebunden. Zweimal im Jahr schüttele ich alles aus. Heraus. Aus den Fasern. Dann wird es sehr laut. Ich schüttele es heraus. Und bin gleichzeitig darin. In dem Rot. Um Schutz zu suchen. Vor dem Lärm. Das gelingt mir. Ich weiß, dass die Geräusche Beine haben. Die meisten haben zwei. Einige vier. Manche sechs. Und wenige sogar acht. Und auf diesen Beinen gehen sie fort. Die Geräusche. Zweimal im Jahr schüttele ich die Fasern auch, um mich der Blicke zu entledigen. Die auftrafen. Und eintrafen. Im Rot. Des Spiegels. Die Blicke sind Kugeln. Und sie rollen jetzt davon. In alle Richtungen. Um auf etwas Anderes zu treffen. Und so ist mein Spiegelhaus wieder ganz frei. Und leer. Von Blicken. Und Tönen. Und ich breite mich aus. In diesem Rot. Ich lebe in den Fasern. Meines Hauses. Und dann geschieht es wieder: Ich werde ganz rot. Und faserig. Ich werde ein Spiegel. Ein Ort. Und ich wohne jetzt hier. In meinem eigenen Haus.  

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