Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Sonntag, 31. Mai 2020

Augenblick


Wir liegen in Eisbetten inmitten einer Landschaft.
Und im Schein der Wintersonne betrachten wir ein anderes Licht, das sich weiter nördlich über dem Gebirge zeigt.

Es zerschellt an den Wänden des Fels.

Wir richten uns auf.
Mit unseren Blicken sammeln wir seine Bruchstücke ein, die wir zu einem Bild verschmelzen.

Vor uns liegt jetzt ein schwarzer Kiesel.

Jemand steht auf und trägt ihn hinüber zur Wohnstätte der Eulen.

Fortan wird man hier den Kiesel verwahren –
ein Kleinod aus Blicken.

Freitag, 29. Mai 2020

Im Innern der Sicht


In der Mitte des Raums sehe ich eine Handschrift.
Ich lese: Figure Ambiguë

Und erkenne die Schrift als einen Lichtdruck aus zusammengeketteten Zeichen, die mich an einen Kopf erinnern.

Schließe ich die Augen, sehe ich eine schwarze Scheibe.

Aber irgendetwas flimmert dahinter.

Verschlusslaut


Dieser Raum ist ein Zufallsfund.
Betritt man ihn, findet man Stimmen darin.
Sie klingen wie Geheimsprachen.

Jede ist anders.

Schon umschließen sie mich.
Ich atme Babel.

Dann gehe ich auf darin als Laut einer Sprache,
die mein Geheimnis wahrt.

Freitag, 22. Mai 2020

Zentrale


Manche Insekten tragen jetzt ein Zeichen.

Man hat es an den Rändern ihrer Körper angebracht -

und es ähnelt Pflanzen.

Nur die Eulen können dieses Zeichen lesen,

das in ihrer Sprache Sehnsucht bedeutet.



Folgt man dem Pfad der Insekten,

so stößt man auf Früchte,

deren Kerne aus Zahlen gemacht sind.

Das ist reine Geometrie, sagen die Eulen.

Sie ist formvollendet, so die Vögel weiter -

und dient der Vermessung doppelter Wände.