(1)
Ich ging über den Boulevard. Es war die
teuerste Straße der Stadt. Auf dem großzügig angelegten Gehweg, wo ich gerade
flanierte, gab es Schaukästen. Sie waren in einem gleichbleibenden Abstand in
einer Linie angelegt. Ihre goldene Einfassung und das Licht im Innern
erinnerten mich an eine längst vergangene Zeit. In ihnen ließen sich auch heute
noch die Auslagen der Geschäfte in Augenschein nehmen. Manchmal auch
Kunstwerke. Ich blickte gerade auf meine Armbanduhr, als hinter einem Kasten
jemand hervortrat. Und sich mir in den Weg stellte. Der Mann trug einen
schwarzen Anzug. Und wirkte sehr gepflegt. Er entschuldigte sich auch sogleich
für sein Auftreten. Dann wies er auf das Coupole,
ein Restaurant, vor dem wir jetzt standen. Er sah mich an. „Jemand wartet dort
auf Sie.“ Ich zögerte einen Moment. Dann folgte ich ihm.
(2)
Mein Begleiter öffnete die Tür. Ich trat
ein. Und stand in einem Aufzug. Er drückte einen Knopf, wünschte mir einen
guten Abend und die Aufzugtür schloss sich. Das Restaurant lag im Erdgeschoss.
Und so hatte ich keine Idee, wohin mich dieser Aufzug jetzt brachte. Die Fahrt
erschien mir sehr lang. Ich beobachtete die Zahlen auf dem Display. Gerade
hatte ich die 50. Etage passiert. Als die 80 aufleuchtete, wurde ich unruhig.
Kein Gebäude dieser Stadt hatte nur annähernd so viele Etagen. Dann hielt der
Aufzug. Der 104. Stock. Die Tür öffnete sich. Ich trat hinaus. Und befand mich
unter einer gigantischen Kuppel. Die Ränder der Kuppel lagen in weiter Ferne.
Ich konnte sie nur schemenhaft erkennen – bewegte mich aber langsam darauf zu.
Dann sah ich, dass die Kuppel die Stadt überspannte. Wie ein Schirm. Es war ein
durchsichtiger Schirm. Jedoch nicht aus Glas. Auch nicht aus Plastik. Ich
fragte mich, was es war.
(3)
A: „Eine
zellfreie Schicht. Mesogloea genannt. Sie ist gallertartig. Und besteht zu 99 %
aus Wasser. Deshalb ist die Kuppel durchsichtig. Und wir können diesen
grandiosen Blick über die Stadt genießen.“
B: „Sie
haben den Körperbau der Quallen imitiert und so die Kuppel
gebaut?“
A: „Ja, genau
so. Sie sind übrigens der erste Gast, der den Bezug zu den Quallen herstellt. Aber
wir haben Sie ja nicht ohne Grund hier hoch gebeten.“
(4)
Der Mann, mit dem ich sprach, glich dem Mann
von unten. Ich war mir aber nicht sicher. Wenn er es war, hatte ich keine
schlüssige Antwort, wie er so schnell in den 104. Stock kommen konnte. Vielleicht
gab es noch einen zweiten Aufzug. Oder er war irgendwie sonst hier
hochgestürzt. Vor mir stand jetzt ein gedeckter Tisch. Auf ihm befand sich eine
Karaffe mit einer durchsichtigen Flüssigkeit. Ein Glas. Messer und Gabel. Eine
Serviette. Und ein Teller. Ich nahm Platz. Das Gericht bestand aus fünf
Kartoffeln, einigen grünen Bohnen und einem Balken, der etwa die Größe eines
Knäckebrots hatte.
(5)
A: „Lassen
Sie es sich schmecken.“
B: „Danke.“
A: „Sie
zögern? Sie fragen sich, was das für ein Balken ist?“
B: (lacht) „Ja, das frage ich mich. Ein
ungewöhnlicher Hauptgang für das
Coupole.“
A: „Das
ist ein Energyriegel. Der hilft, um hier wieder hochzustürzen. Wir haben Sie
übrigens eine ganze Weile begleitet. Und erforscht. Dort unten. (weist in Richtung Stadt) Und dann sind
wir zu einem Ergebnis gekommen: (feierlich)
Wir möchten Ihnen anbieten, sich hier hinunterzustürzen.“
(6)
Ich aß die Kartoffeln. Die Bohnen. Den Energyriegel. Und
dann sprang ich.