Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Samstag, 15. Juli 2023

Kopfgeburt

 

Zwischen den Fingern wachsen mir Schwimmhäute.

Es begann in der Nacht.

Jetzt schließt sich das letzte Stück zwischen Daumen und Zeigefinger.

 

Bei Sonnenaufgang stehe ich unten in der Halle  

und weiß mit den neuen Händen nichts anzufangen.

 

Aber dann ist da etwas Anderes.

 

Mich umfließt eine Strömung,

die vom Boden aufwärts bis zu meinen Knien reicht.

 

Ich sehe mich um:

An der Wand gegenüber ist wieder das Bild.

Darauf ein Auge,

das mich heute an ein Zahnrad erinnert.

Ich glaube,

es dreht sich sogar.

Und das Weiß dieses Auges strahlt wie Alabaster.

 

Ich tauche in die Strömung ein,

die mir jetzt bis zum Kinn reicht –

und schwimme.

 

Schon blüht es zwischen meinen Fingern.

 

Links und rechts von meinen Händen tauchen weiße Kähne auf.

Jemand steigt aus,

pflückt die Blüten und verlädt sie sogleich.

 

Dann fahren die Kähne weiter.

Ihre Spuren zerschneiden die Halle,

die plötzlich ganz gläsern wird.

 

Ich inhaliere den Wasserstoff -

ein Nebenprodukt dieser Verwandlung.

 

Und dann nähere ich mich dem Kern dieser Szene,

der womöglich mein eigener Kopf ist.

Montag, 10. Juli 2023

Apophis_Kleinplanet

 

Wir sind am Boden geblieben.

In uns jetzt das Geröll dieser Landschaft.

Man dreht uns den Kopf nach hinten und entblößt unsere Augen.

Am Nachthimmel die Satelliten.

 

Sie verpuppen sich gerade.

Dabei wickeln sie sich in einen dichten Faden,

der aus ihrer silbernen Öffnung fällt.

 

Wir schauen weiter.

Dann sind sie ganz in ihren Kokons.

Sie sehen aus wie Rokokofrisuren.

Wie Marie-Antoinette.

 

Ein Kundschafter aus unseren Reihen streckt sich nach oben und kämmt sie.

Sogleich umfließt ihn etwas.

Es ist ein lockeres Band aus Nullen und Einsen.

 

Dann tauchen Seepferde auf.

Sie kommen von links auf uns zu.

Ihre Stimmen klingen wie sehr feines Porzellan und scheinen fast zu zerspringen.

Sie sehen uns an und sprechen dann eine Warnung aus.

Sie gilt Apophis.

 

Wir beraten uns.

Unsere Beratungen dauern lange.

Und allmählich verstehen wir, 

dass Apophis ein Asteroid ist.

 

Jetzt, wo das Geröll dieser Landschaft schon in uns ist,

ist es zu spät,

an die Strände zurückzukehren.

 

Wir sind jetzt hier.

 

Und sortieren das Geröll in uns.

Stein für Stein schichten wir es auf zu einer Addition,

deren Summe nie über Null liegt.