Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Montag, 18. Juli 2016

Haar


Sie erinnern mich an Perücken. Sagte ich zu der Frau, die auf dem Boulevard Saint-Michel neben mir ging. Sie sah mich an und lachte. Wir schlenderten ins La Dauphine und bestellten Café. Und ich beschrieb ihr, was ich sah. Die fortwährende Veränderung ihres Haars. Mal war es schwarz. Glatt. Und kurz. Dann rot. Wie gewelltes Feuer. Es wurde blond. Ein Pagenkopf. Schließlich kastanienfarben. Dann saß sie vor mir. Streng gescheitelt.  Und es setzte sich fort. Nach den Damenfrisuren kamen die Herrenfrisuren. Und dann solche, die ich aus Filmen kannte. Aus allen Epochen. Bis weit in die Zukunft hinein. Auch das Material und die Beschaffenheit ihres Haars änderten sich. Und als es blau war und aus Aluminium, zog ich daran. Sie lachte. Weil nun alles herausbrach. Aus ihr. Das Innere ihres Kopfes war ein Haarknäuel. Ich gab ihr einen Spiegel. Was wir sahen, war prachtvoll. Und sehr schön. Noch heute denke ich oft an ihr Haar. Komme ich an einem Perückengeschäft vorbei, bin ich glücklich. Ich gehe hinein und setze sie mir auf. Die Perücken. Erst rot gelockt. Dann streng gescheitelt. Schließlich nehme ich die dritte. Aus dem Regal. Sie ist blond. Und jetzt bin ich. Sie.

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