Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Donnerstag, 7. Juli 2016

Algorithmus der Nester



Ich sah den Film zum ersten Mal. Es war ein Schwarzweißfilm. Aus diesem Jahr. Ich schaute also den Film. Und irgendwann gab es eine Einstellung mit einem Vogelnest. In dem drei Eier lagen. Gesprenkelt. Und das Ganze war eingebunden in eine Szene, die im Garten eines Landhauses spielte. Darin eine Person, eine noch recht junge Person, die es sich zur Angewohnheit gemacht hatte, Nester zu zählen. Das war schon fast eine Art Passion. Es wirkte jedenfalls sehr leidenschaftlich, wie die Person dem Zählen der Nester nachging. Tag für Tag. Und da der Film mir gut gefiel, sah ich ihn mir einige Tage später wieder an. Bei diesem zweiten Schauen tauchte plötzlich auch in einer zweiten Szene ein Nest auf. In diesem Nest waren jetzt vier Eier. Auch gesprenkelt. Und ich überlegte zunächst, ob ich dieses zweite Nest beim ersten Sehen übersehen hatte. Aber ich war mir sehr sicher, dass mir nichts entgangen war. Und ich hatte darüber hinaus jetzt eine Ahnung oder einen Verdacht. So ließ ich wieder zwei Tage verstreichen und schaute den Film ein drittes Mal. Und tatsächlich: Jetzt waren es drei Szenen. In denen ein Nest auftauchte. Und es waren fünf Eier. Im dritten Nest. Wieder gesprenkelt. Die Nester erschienen nach 21, 42 und 84 Minuten. Jetzt wurde ich neugierig. Und schaute den Film in den darauffolgenden Tagen gleich mehrmals an. Ich war schon bei 12 Nestern. Und wurde immer mehr zu der  Person im Garten des Landhauses: Nester suchend. Nester zählend. Jetzt täglich. Der Film hatte 108 Minuten. Ich zählte schließlich 108 Nester. Die natürliche Grenze. Der Film läuft jetzt rückwärts. Und so zähle ich weiter. Von Nest zu Nest.

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