Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Montag, 25. Juli 2016

Die Creme. In der die Nacht ist.



Das ist kein Slogan. Oder irgendetwas, das ich gelesen habe. Sondern es beruht auf meiner eigenen Erfahrung. Es verdichtete sich nämlich, dass in der Creme, die ich abends auf mein Gesicht auftrug, die Nacht war. Zum ersten Mal fiel es mir auf, als ich im Bad vor dem Spiegel stand und plötzlich das Licht erlosch. Sogleich erschienen unter der Decke Sterne. Und kurz darauf auch ein Mond. Es war kein Vollmond. Aber der Mond hatte die Kraft, den Raum auszuleuchten. Sodass ich mich sah. Im Spiegel. Und ich nutzte diesen hellen Moment, um noch ein wenig mehr von der Creme aufzutragen. Dann hörte ich Geräusche. Da war das Zirpen von Zikaden. Ein Käuzchen rief. Und von ganz weit her hörte ich einen Wolf. Ich vernahm ein Knacken und Rascheln. Mir war, als sei ich auf einer nächtlichen Pirsch. In einem Wald. Oder am Rande eines Felds. In meinem Spiegel tauchten jetzt zwei Punkte auf. Und als ich sie näher betrachtete, waren das meine Augen. Es waren gelbe Augen. Die leuchteten. Von innen. Und diese neuen Augen, diese gelben, schienen auch eine Wärmequelle zu sein. Denn der Spiegel zerfloss. Schon war da ein silberner Strom auf dem Boden meines Badezimmers. Und ich sprang hinein. In diesen Strom. Und ließ mich treiben. Weit hinaus. Und schon sehr bald hatten wir den Raum, das Haus, die Straße, die Stadt und vielleicht auch das Land verlassen. Wo ich jetzt bin, ist Nacht. Die mir, mit diesen Augen betrachtet, aber nicht wie eine Nacht erscheint. Sondern es ist taghell. Liegend betrachte ich das Firmament. Über mir. Da ist ein glühender Himmelskörper. Mit einem Schweif. Und ich folge ihm. Mit meinen Augen. Und sehe, wo er einschlägt. Dort kommt  jetzt Dampf aus der Erde. Und ich gehe näher heran. Aus dem Krater tritt nun etwas hervor. Ganz langsam. Was sich zeigt, ist ein Wesen. Ein fleischiges Wesen. Und sein Geruch kommt mir bekannt vor. Es ist die Creme. In der die Nacht ist. Und wir verständigen uns darüber. Und auch diesem Wesen leuchten die Augen. Ganz gelb jetzt. Und strahlend. Und obwohl es hier Nacht ist, immer Nacht ist, wird es hell. Doppelt hell. Durch dieses zweite Augenpaar. Das jetzt hervorgetreten ist. Und ich weiß, dass sich das fortsetzen wird. Und noch Viele hervortreten werden. Und es so immer heller wird. Mit jedem Augenpaar. Die Nächte werden gleißend hell sein. So hell, dass sie aufgehen in diesem Hell. Und man die Nacht nicht mehr sieht.

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