Es gibt Menschen, die kann ich mir nur in
einem Spiegel vorstellen. Sie sitzen zum Beispiel darin. Der Spiegel, an den
ich gerade denke, befindet sich in einem Warenhaus. Es gibt jemanden, der
regelmäßig das Kaufhaus aufsucht. Und alle Spiegel kennt. Das Geschäft hat vier
Etagen. Und die Person hat vor einiger Zeit damit begonnen, alles systematisch
nach Spiegeln abzusuchen. Und sich dabei langsam vom Untergeschoss in das
oberste Stockwerk bewegt. Zuerst hat sie in einem Spiegel in der Lebensmittelabteilung
Platz genommen. Dieser Spiegel ist die Verkleidung einer Säule. Die
quaderförmig ist. Sodass der Spiegel vier Seiten hat. Die Person, die in dem
Spiegel sitzt, bin ich. Und ich bewege mich langsam. Von einer Quaderseite zur
nächsten. So habe ich ganz unterschiedliche Sichtweisen auf das Geschehen. Mir
scheint dieser Quaderspiegel sehr geeignet. Um in ihm zu sitzen. Die Menschen,
die diese Abteilung aufsuchen, bewegen sich recht schnell. Von Reihe zu Reihe.
Sie haben einen festen Plan im Kopf. Von dem, was sie suchen. Und sie wissen, wo sich die jeweiligen Regale befinden. So
sind die wenigsten hier schlendernd unterwegs. Das bedeutet für mich im
Spiegel, dass die Blicke der Vorübergehenden mich allenfalls streifen. Es ist
ein flüchtiger Augenblick. Dem selten etwas Längeres folgt. Und selbst dann
wird mein Dasein im Spiegel nicht mit Verwunderung aufgenommen. Ich beobachte
auch, dass niemand außerhalb des Spiegels nach mir sucht. Nach mir. Dem Objekt.
Subjekt. Der Reflexion. So sitze ich in meinem Quaderspiegel. Und kann aus vier
Richtungen alles in Augenschein nehmen. Ohne ein Schein zu sein. Ganz anders
ist mein Spiegeldasein in der obersten Etage. Der Bekleidungsabteilung. Hier streift
man sich Dinge über. Die man dann prüfend betrachtet. Im Spiegel. Auch hier
sitze ich wieder. Darin. Dieses Mal in einem Sessel. Der senffarben bezogen
ist. Ich habe die Beine übereinandergeschlagen. Und sitze dabei sehr aufrecht.
In meiner linken Hand halte ich ein Glas. Mit einem roten Getränk. Das nach
Kirschen schmeckt. Jetzt stellt sich jemand vor den Spiegel. Und probiert einen
Mantel an. Es dauert einen Moment. Bis ich dem Blick meines Gegenübers anmerke,
dass ich aufgefallen bin. Und die Person sich umdreht. Und hinter sich blickt. Sie
sucht zuerst den linken Teil des Raums ab. Dann den rechten. Aber sie findet
mich nicht. Mich. Das Subjekt. Das Objekt. Der Reflexion. Da ist eine
Verunsicherung. Im Blick. Die sich bald auch auf den Mantel bezieht. Und dann
auf die Person selbst. Die Handbewegungen sollen beiläufig wirken. Das merke
ich. Die Person tastet. Nach sich. Aber findet sich nicht. Ganz. Dann ändert
sich etwas. Die Person geht einen Schritt. Zurück. Ihre Haltung ist jetzt sehr
aufrecht. Und sie sieht mich an. Und die Person weiß jetzt, dass auch sie immer
mehr Spiegel wird. Für mich. Die immer noch dort sitzt. In dem senffarbenen
Sessel. Ich stehe auf. Und verlasse den Spiegel. Durch eine Tür. Irgendwann
stehe ich vor dem Spiegel. Und die Person ist jetzt direkt neben mir. Unsere
Mantelärmel berühren sich. Und dann verstehe ich: Sehen kann sie mich. Nur im
Spiegel.
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