Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Sonntag, 16. April 2017

Welt aus Moos



Es war kein Bewuchs. Auch keine Beschichtung. Der städtischen Oberflächen. Vielmehr war  alles aus ihm gemacht: Dem Moos. Die Häuser. Die Straßen. Die Gärten und Parks. Die Verkehrsmittel. Selbst das Licht. Daran hatte man lange gearbeitet. Und sich für Sternmoos entschieden. Das leuchtete. Warm. Und hell. Die Menschen mochten die Stadt. Sie lebten gern in und auf und unter dem Moos. Es war warm. Und weich. Und bot ihnen Schutz. Die Bewohner hatten etwas Federndes. Das lag auch an dem Moos, das einem weichen Teppich glich. Niemand verletzte sich hier. Denn das Moos hielt viel ab. Im Moos verfingen sich auch Worte. Die lauten. Das Gebrüll. Und Geschrei. Sodass das Laute keinen Raum fand. In der Stadt. Die Menschen aßen das Moos. Und sie gaben es auch ihren Tieren. Langsam trat eine Veränderung ein. Die Menschen wurden selbst immer mehr zu Moos. Sie waren jetzt grün. Und weich. Und unterschieden sich kaum noch von ihrer Umgebung. Bis sie eins waren. Und sich nichts mehr abhob. Von diesem Grün. Dann zog sich von den Rändern der Stadt ein Moosteppich die Hänge hinauf. Bis in die Stadt. Sodass bald schon alles unter einer grünen Schicht lag. Und diese Schicht zog weiter. Und überzog immer mehr. Erst Städte. Dann Länder. Schließlich das Meer. Und dem Moos wuchsen jetzt unzählige Augen. Es waren die Augen all jener, die hinausschauten. Aus ihm. Sehend änderte das Moos die Richtung. Und schob sich weiter. Voran. Zweiundfünfzig Tage. In Richtung Neufundland. Und dort traf es. Sich selbst.   

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