Ich hatte mich lange auf die Reise
vorbereitet. Sie war beschwerlich. Weil ich den Ort letztendlich nur zu Fuß
erreichen konnte. Dem ging eine dreitägige Zugfahrt voraus. Am Endbahnhof
schulterte ich mein Gepäck. Hier gab es nur eine Straße. Die eher einem Weg
oder einer Piste glich. Und ich lief sie in westliche Richtung. Am Abend kam
ich in der Stadt an. Sie war vollständig von einer Mauer umgeben. Und ihr
Ursprung lag Jahrhunderte zurück. Durch eines der Tore betrat ich die Stadt.
Und ging zunächst zu meiner Herberge. Ich fand alles so vor, wie es mir
angekündigt wurde. Dann setzte ich mich mit einem Glas Tee in den schattigen
Innenhof. Und schloss die Augen. Ich lauschte dem Springbrunnen. Hörte Vögel.
Deren Stimmen mir gänzlich unbekannt vorkamen. Ich merkte, wie ich mich
entspannte. Und allmählich ankam. Ich ging in ein Restaurant. Aß zu Abend. Löschte
früh das Licht. Und schlief einen tiefen, traumlosen Schlaf. Die Stadt war
dafür bekannt, seit jeher die Zeiger großer Uhren zu sammeln. Und es waren eben
diese Zeiger, wegen derer ich hierher kam. Sie interessierten mich. Man hatte
die Zeiger über die gesamte Stadt verteilt. Und da es hier so gut wie nie regnete
oder stürmte, befanden sich alle Zeiger draußen. Unter freiem Himmel. Man hatte
sie aufgestellt wie Obelisken. An der Rezeption erhielt ich einen Plan, auf dem
die Standorte aller großen Zeiger eingezeichnet waren. So zog ich los. Bis
Mittag hatte ich mir fünf verschiedene Zeiger angesehen, die sich alle im Süden
der Stadt befanden. Ich studierte ihre Formen und Farben. Aber das waren eher
Äußerlichkeiten. Mein Hauptanliegen war ein anderes: Ich hatte ein Stethoskop
mitgebracht. Und wollte die Zeiger abhören. Auf ihren Takt. Ihre Melodie. Ihre
Geschichte. Jeder Zeiger hatte sein eigenes Innenleben. Manchmal hörte ich es
in ihnen strömen. Oder pochen. Und dann wieder schien eine Feder
herauszuspringen. Oder es verhakte sich etwas. Für einen kurzen Moment. Dann
war da ein Stottern. Eine leichte Vibration. Die wieder in etwas Regelmäßiges
überging. Am dritten Tag hatte ich mich schon bis in den Norden der Stadt vorgearbeitet.
Und bereits zahllose Zeiger aufgesucht. Sie untersucht. Und dokumentiert. Der
Zeiger, vor dem ich jetzt stand, befand sich in der Mitte eines Platzes. Hier
gab es Bänke. Auf denen Menschen saßen. Alle hatten den Zeiger fest im Blick. Diesem
Zeiger sagte man nach, eine Eigenzeit zu haben. Die vollkommen von dem abwich,
was man sich sonst unter der Zeit vorstellte. Es war ein Zeiger. Und er zeigte,
wie die Zeit alles zeitigt. Zu einem neuen Anfang hin. Und das traf auf jeden
zu, der hier saß. Und ihn betrachtete.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.