Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Freitag, 10. Februar 2017

Gehöft



Der Weg ging seit einer Stunde bergan. Es war eine leichte Steigung. Die dennoch an meine Kräfte ging. Zum Glück waren die Markierungen gut. Bisher hatte ich keine unklare Stelle passiert. Und so war ich mir sicher, mich auf dem richtigen Weg zu befinden. Man hatte mir einen Plan geschickt. Auf dem das Objekt eingezeichnet war. Erst vor wenigen Minuten hatte ich die Ruine einer Mühle passiert. Und laut Plan waren es von dort bis zu meinem Ziel nur noch wenige Kilometer. So ging ich mit gleichmäßigen Schritten weiter bergan. Ich hatte mich für leichtes Gepäck entschieden. Und nur die wichtigsten Dinge in meinem Rucksack verstaut. Ich wollte zwei Nächte bleiben. Dort oben. Und man hatte mir geschrieben, Proviant für mich zu deponieren. Neben dem Haus befand sich eine Wasserquelle. Und so war ich mir sicher, dass für alles gesorgt war. Noch einmal gabelte sich der Weg. Nach einem Blick auf den Plan hielt ich mich links. Die Landschaft veränderte sich jetzt. Sie wurde karger. Der Wegesrand war mit Farnen und Moosen bewachsen. Es gab Ginster. Und an einigen Stellen trat jetzt grauer Fels zutage. Dann sah ich es. Und ging darauf zu. Plötzlich veränderte sich der Weg. Unter meinen Füßen. Er war jetzt aus Glas. Aus sehr dickem Glas. Ich zögerte einen Moment. Und betrachtete das, was vor mir lag. Und ich erkannte, dass das Glas eine große Plattform war, die man über den Fels hinaus gebaut hatte. Als ich den ersten Schritt auf dem Glas machte, überkam mich Schwindel. Alles war offen. Unter mir. Es gab keinen Grund. Und da war kein Boden mehr, den ich sah. Alles klaffte. Ich nahm das Objekt fest in den Blick. Auf Augenhöhe. Das half. Ich durfte meinen Blick nicht senken. So ging ich darauf zu. Ich öffnete die Tür. Und erleichtert stellte ich fest, dass es hier einen steinernen Boden gab. Ich suchte das Schlafzimmer. Das ich nicht fand. Ich suchte das Bad. Das ich nicht fand. Ich suchte die Küche. Auch sie fand ich nicht. Hier schien alles verschmolzen. An einigen Stellen konnte ich noch Ursprüngliches erkennen. Die Rundung eines Waschbeckens. Einen Teil des Herds. Einen Bettpfosten. Auch der Proviant war unauffindbar. Und so ging ich wieder hinaus. Und suchte die Quelle. Weil ich durstig war. Dann stand ich vor einer Öffnung im Fels. Aus der aber nichts kam. Von der Öffnung ging stattdessen ein Sog aus. Etwas saugte. Und ich sah, wie Pflanzenteile, Steine und auch kleinere Tiere in der Öffnung verschwanden. So ging ich einen Schritt zurück. Ich beschloss, noch einmal auf den Plan zu sehen. Möglicherweise hatte ich doch eine falsche Richtung genommen. Und war irrtümlich an diesen Ort gelangt. Als ich den Plan wieder auseinanderfaltete, zeigte sich ein anderes Bild. Das Objekt war nun der Ausgangspunkt. Und das Ziel musste irgendwo jenseits der Ränder liegen. Dem Plan war der Weg schon abhandengekommen. Und auch ich hatte vergessen, woher ich kam.

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