Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Donnerstag, 24. Dezember 2015

Reigen



für D.H.K.
 
Als ich am Tisch Platz nahm, fiel mein Blick sogleich auf das Bild an der Wand gegenüber. Es war ein Kupferstich. Und zeigte Menschen, die auf einer Waldlichtung im Kreis um einen Baum tanzen. Jemand hatte oberhalb des Bildes Federn hinter den Rahmen gesteckt. Schwarz gesprenkelt. Auf olivbraunem Grund. Vielleicht die eines Fasans. Dann hörte ich Laute. Von Vögeln. Und ein leichter Wind ging durch den Raum. Die Menschen um den Baum gerieten in Bewegung. Ihr Tanz wurde schneller. Und schneller. Dann war da nur noch ein dunkler Ring. Und ich schloss die Augen, weil mir schwindelig wurde. Als ich sie wieder öffnete, stand die Gruppe ganz still. Ihre Blicke richteten sich nach oben. In Richtung der Federn. Alle reckten sich. Und öffneten ihre Lippen. Dann fielen die Federn hinab. Direkt in ihre Münder. Jetzt kam die Gastgeberin mit einer Teekanne herein, schenkte uns nach und blickte dann suchend in Richtung Bild. Federn, die in Münder fallen, sang sie leise. Und sah mich versonnen an.

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