Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Dienstag, 7. Juni 2016

rückwärtsgehen



für A.
 
Ich bin rückwärtsgegangen. Durch den Wald. Und während ich dort ging, konnte ich sehen, wie sich die Blüten der Blumen schlossen. Es waren weiße Blumen. Glockenblumen. Die wieder zu Knospen wurden. Und wie die Stiele der Blumen kürzer und kürzer wurden. Und sich alles in den Boden zurückzog. Und das Gleiche geschah mit den Bäumen. Es waren alte Bäume. Sehr alte Bäume. Ich sah ihnen ihre Verwurzelung an. Sie waren älter. Als ich. Und trugen mehr Jahresringe. Und auch sie wurden kleiner. Während ich weiter rückwärtsging. Und irgendwann war es nur noch eine Schonung. Durch die ich lief. Viele kleine Setzlinge. Ihr Grün noch ganz zart. Und auch das Licht veränderte sich. Weil plötzlich gar kein Wald mehr war. Ich ging schneller. Rückwärts. Da ich hinter mir einen alten, hohen Wald sah. Den wollte ich erreichen. Bevor auch er sich wieder in sich zurückzog. Es gelang mir. Dieser Wald war ganz weiß. Und es gab große Nester. In jedem Baum. Es waren Kormorane. Die dort wohnten. Und ihre Laute waren seltsam. Für mein Ohr. Bis ich verstand, dass ja auch sie rückwärts sprachen. Und die Brut in den Nestern schlüpfte zurück. In ihr Ei. Und die Eier verschwanden. Bis die Nester ganz leer waren. Und die Nester wurden zu halben Nestern. Bis es gar keine Nester mehr gab. Ich ging weiter. Rückwärts. Und die Kormorane, deren genaue Herkunft niemand kennt, glitten zurück. In den Himmel. Und dann zerstob die Sonne. Und verbarg sie. Darin.

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