Als ich heute Morgen aufwachte, blühte
alles. Alles. Mein Zimmer blühte. Die Wände blühten. Es ist schwer zu
beschreiben, wie das aussah. Die Grundfarbe blieb. Die weißen Wände. Aber sie waren
außer sich. Alles hatte sich herausgedrückt. Und herausgeschoben. Aus ihnen. Und
es waren gewaltige, blühende Formationen entstanden. So auch die Lampe. Auch
die Lampe blühte. Der Schirm. Der Fuß. Selbst das Licht. Blühte. Dann meine
Kleidungsstücke: Als ich in den Schrank sah, blühte alles. Darin. Der ganze
Stoff war hervorgetreten und hatte sich verformt zu etwas Blühendem. Als ich
aus meinem Schlafzimmer trat, ging ich zu meinem Bücherregal. Und genau das war
dort auch geschehen: Es waren blühende Bücher. Blühende Bände. Und es lag auch
alles ein bisschen durcheinander. Weil die blühenden Bücher mehr Platz brauchten.
So waren einige auf den Boden gefallen. Oder verrutscht. Im Regal. Und ich nahm
eines dieser Bücher. Es fiel mir herunter. Weil ich es gar nicht mehr richtig
zu halten wusste. Wie sollte ich ein blühendes Buch denn anfassen? Es war ja
nicht mehr so griffig. Nicht mehr so, wie ich es kannte. Meine Hände würden
sich langsam daran gewöhnen. Und sich auch merken, dass nicht jedes Buch gleich
blühte. Als ich das Buch dann aufschlug, kam mir die Schrift entgegen. Auch sie
blühte. Ich sah genauer hin: Es waren jetzt 26 verschiedene Arten des Blühens.
Und ich verstand, dass ich dieses neue Alphabet erlernen musste. Und mehr: Auch
das eine Blühen von dem anderen zu unterscheiden. Wie sah jetzt ein A aus? Wie
blühte das, was ich früher als O kannte? Ich ging weiter. In die Küche. Um mir
einen Kaffee zu kochen. Und auch hier: Die ganzen Speisen und Getränke, alles,
was ich im Kühlschrank hatte - auch das blühte. Den Kaffee, so wie ich ihn
kannte, gab es nicht mehr. Und einen blühenden Kaffee zu trinken, war anders.
Und ungewohnt. Es fühlte sich an, als würde ich etwas ganz Filigranes essen. Das
sich im Mund dann verflüssigte. Das war vorbei: Die Tasse einfach anzusetzen
und auszutrinken. Jetzt überlegte ich, wie es wohl draußen aussah. Blühte dort
auch alles? Und ich spürte: Da war noch eine andere Frage. Eine, die noch viel
schwerer wog. Möglicherweise war einfach noch nicht die richtige Zeit dafür. Aber
sie kam. Sie kam jetzt. Die Frage. Ich hatte noch nicht in den Spiegel geschaut.
Vielleicht ahnte ich, was mir blühte. Das, was ich sah, war sehr schön. Aber
sehr fremd. Ich war mir auch nicht sicher, ob ich so das Haus verlassen wollte.
Weil man mich in diesem ganzen Blühen möglicherweise gar nicht erkannte. Und
ich versuchte jetzt, ein paar Sätze zu sprechen. Vor dem Spiegel. Es war eine
blühende Sprache. Die ich hörte. Aber ich verstand nicht, was ich sagte. Ich
setzte mich. Und überlegte. Was ich tun wollte. Und nach einer Weile beschloss
ich, das Blühen selbst zu etwas Blühendem zu machen.
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