Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Sonntag, 27. November 2016

Watte



Vielleicht ist es deshalb: Ich habe die Watte nie entfernt. Aber nahezu täglich neue genommen. Und sie mir in die Ohren gesteckt. Weil ich nicht hören will. Jeder Laut ist zu viel. Jedes Wort bringt mich an den Rand. Sodass ich drohe, überzulaufen. Die Anderen haben die Watte in meinen Ohren noch nie bemerkt. Jedenfalls hat mich niemand darauf angesprochen. Ich habe mit der Zeit gelernt, von den Lippen zu lesen. Und wenn ich etwas nicht verstehe, fällt das auch nicht weiter auf. Irgendwann habe ich begonnen, mich mehr und mehr auszustopfen. Mit dieser Watte. Ich habe eine Füllung bekommen. Die zu meiner Erfüllung wurde. Die vieles aus meinem Innern an den Rand schiebt. Sodass es droht, überzulaufen. Oder herauszufallen. Als man mich vor einigen Tagen in ein Gerät schob, offenbarte dies den Grad meiner Füllung. Alle Knochen waren gewichen. Und stattdessen war da jetzt Watte. Hineingepresst. Und meine Organe waren an die Innenwand meines Körpers gedrückt. Wie kleine Kissen. Und da war diese Fülle. Aus Weiß. Ebenso sah es in meinem Kopf aus. Es lebte sich so angenehm mit dieser weichen Watte darin. Die alles ab- und auspolsterte. Man bat mich um Zustimmung, die Watte zu entfernen. Die ich versagte. Jetzt lebe ich. Als Bausch.

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