Es war an der Zeit, mich an einen neuen Ort
zu begeben. Ich kannte dieses Gefühl – war ich doch schon oft umgezogen. Dem
voraus ging stets ein schleichender Prozess. Den ich zunächst gar nicht
wahrnahm. Irgendwann stand dann die Gewissheit im Raum: Nicht mehr am richtigen
Ort zu sein. Und damit ging auch der Entschluss einher: Ich ziehe weiter. Von
Umzug zu Umzug hatte ich meinen Hausrat verkleinert. So konnte ich die Dinge
einfach verstauen und leicht transportieren. Mir gefiel diese Reduktion auf das
für mich Wesentliche. Ich hielt das für eine Kunst. Die ich im Laufe der Jahre
immer mehr verfeinert hatte. So behielt ich einige Bücher, die mich schon lange
begleiteten. Und die ich wieder und wieder las. Und neu las. Und die sich mir jedes
Mal anders zeigten. Von anderen Seiten. Ganz wortwörtlich. Als veränderten auch
sie sich. Um sich dann wieder neu auszurichten. Sodass ich sie neu entdecken
konnte. Und auch mich neu fand. In ihnen. Dann waren da ein paar
Kleidungsstücke. Einige Küchenutensilien. Eine Schlafliege. Ein Tisch. Und ein
Stuhl. Und zwei kleinere Kisten. In denen ich persönliche Gegenstände
verwahrte. Fotografien. Briefe. Notizhefte. Und eine Mineraliensammlung. Ich hatte
beschlossen, von der Stadt aufs Land zu ziehen. Die Stadt wurde mir zunehmend zu
einem unwirtlichen Ort. Der mich ablenkte. Von mir. Und meiner Arbeit. Und der
mich nicht mehr trug. Der neue Ort, an den es mich zog, lag in einer
wasserreichen Landschaft mit vielen Seen. Durch das Dorf floss ein Fluss. Ich hatte gehört, dass es
sich hier vortrefflich baden ließe. Und es wurde nachts sehr dunkel. Dort. Es
war der dunkelste Ort. Ich werde in einem Sternenpark leben. Und die
Milchstraße mit bloßem Auge betrachten können. Auf alten Karten entdeckte ich
dann eine unterirdische Verbindung. Zwischen dem alten Ort. Und dem neuen. Dort
draußen. Im Norden. Weitab der Stadt. Beide Orte lagen in einer Moränenlandschaft.
Unterirdisch verlief ein Tunneltal. Und darin floss ein Strom. Ein Urstrom. Der
die Orte verband. Und so kam mir die Idee, diese Verbindung zu nutzen. Ich grub
ein Loch. Auf einer Wiese. Mitten in der Stadt. Die Karte zeigte mir, dass hier
der Urstrom verlief. Ich hatte die Gegenstände, das, was mit mir umziehen
sollte, wasserdicht verpackt. Alles stand neben mir. Auf der Wiese. Gut verschnürt
in Planen. Und ich hatte den Bestimmungsort darauf geschrieben. In großen
Lettern. Aber ich hatte ihn auch hineingesprochen. In die Pakete. In die
Gegenstände. Bevor ich sie verpackte. Sodass ich mir sicher war, dass meine
Stimme nachklang. Weiterklang. Das dort ein Echo war. In den Paketen. Und dass
sie mit dieser Resonanz ihren Bestimmungsort fanden. So versenkte ich die
Pakete. Im Loch. Das ich gegraben hatte. Und machte mich dann selbst auf den
Weg. An den neuen Ort. Und tatsächlich: Sie hatten ihren Bestimmungsort
erreicht. Und lagen wohlverschnürt und vollzählig am Ufer des Flusses. Ich trug
sie in mein neues Zuhause. Und packte sie aus. Sie klangen nach. Und erzählten
mir. Von ihrer Reise. Durch den Urstrom. Was sie unterwegs hörten. Und sahen. Und
ich schrieb ihre Geschichten auf. Es war jetzt schon spät. Und ich war
plötzlich sehr müde. Mein Bett jedoch wollte zurück. In das Bett des Flusses. Ich
trug es dorthin. Durch die sternklare Nacht. Und dort schläft es. Seither.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.