Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Sonntag, 7. August 2016

Pfad in der Stunde des Nebels



Das war eine besondere Landschaft. Eine flächige Landschaft. Sehr weit. An deren Horizont ich von hier aus nichts erkennen konnte. Ich wusste jedoch, dass es mit dieser Landschaft etwas Besonderes auf sich hatte. Es gab einmal am Tag eine Stunde, wo in ihr Nebel aufkam. Der Zeitpunkt ließ sich nicht voraussagen. Wenn der Nebel nachts kam, wurde es hell. In dieser Stunde. Sodass man ihn sah. Und während dieser Stunde des Nebels gab es einen Fußpfad. Der sich dann zeigte. Und man konnte dann gehen. Auf ihm. Abseits des Pfads verirrte man sich. In den Weiten der Landschaft. So erzählte man sich. Es empfahl sich, einen Rucksack mit hier hinaus zu nehmen, der ausreichend Proviant bereithielt. Niemand wusste, wann genau der Nebel kam. Und mit ihm der Fußpfad. Ich hatte in einer Hütte in der Nähe der Landschaft übernachtet. Und machte mich schon sehr früh bei Sonnenaufgang auf, um das Gelände zu betreten. Ich lief zunächst ein wenig umher. Die Landschaft schien keinen Anfang und kein Ende zu haben. Keine Begrenzungen. Denn sobald man sie betrat, verschwand auch all das, woher man kam. Und so hatte ich schon jetzt keine Orientierung mehr, in welcher Richtung sich eigentlich die Hütte befand. In der ich auch noch eine weitere Nacht übernachten wollte, nachdem ich den Fußpfad in der Stunde des Nebels beschritten hatte. Die Landschaft war vollkommen leer. Es gab nichts in ihr, woran sich die Augen, der Blick festhalten konnten. Und er verlor sich. Und verstreute sich. Diese Landschaft war eine riesige Zerstreuung. Weil sie keinen Ankerpunkt, keinen Fixpunkt bot. Und nach einigen Stunden hier draußen wünschte ich mir einen Grasbüschel, einen Kieselstein oder einfach einen Vogel, der die Landschaft überflog. All das gab es nicht. All das trat nicht ein. Also verdichtete sich die Landschaft für mich immer mehr zu einem Vakuum. Einerseits hatte ich das Gefühl, unendlich viel Raum zu haben. Und auf der anderen Seite war das eine Dimension, die mich so sehr in sich aufnahm, dass sie drohte, mich zu verschlucken. Und so setzte ich meine Hoffnung von Stunde zu Stunde stärker und verstärkt auf den Nebel, der hoffentlich bald auftreten würde. Und als er kam, war es, als würde sich eine Kammer füllen. Er umschloss mich. Und war dann so dicht, dass ich nichts mehr um mich herum erkennen konnte. Ich fühlte mich wie in eine Form gepresst. Die mich gleichmäßig von allen Seiten drückte. Und bedrückte. Und ich hoffte, dass der Pfad bald auftauchen würde. Denn dies hier (der Nebel und wie er auf mich einwirkte) war kaum auszuhalten. Dann erschien der Pfad. Der nicht sehr breit war. Er war rechts und links mit einem Leuchtband markiert. Das strahlte. Wie Phosphor. Und ich ging weiter. Auf ihm. Weiter voran. Auf dem Pfad. Und überlegte, was wohl kommen würde. Worauf er hinauslief. Und was ich mir wünschte. Wenn ich das könnte. Mir wünschen, was dort am Ende des Pfades sein würde. Und als der Pfad endete, stand dort etwas. Das sich mir hier anders zeigte. Sodass ich es erkannte. Und ich schätzte mich glücklich.

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