Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Freitag, 12. August 2016

Der Anruf

Irgendwo hier im Zimmer klingelte ein Telefon. Der Ton war mir unbekannt. Ich hörte ihn zum ersten Mal. Aber das Gerät musste sich ganz in der Nähe befinden. Ich sah mich um. Stand auf. Ging durch den Raum. Und tatsächlich: Auf der Fensterbank stand ein Telefon. Aus schwarzem Bakelit. Mit einer Wählscheibe. Wie ich es aus Filmen kannte. Es klingelte weiter. Der Ton an sich war mir nicht unangenehm. Aber ich war mir unschlüssig. Nachdem ich es noch vier weitere Male hatte klingeln lassen, nahm ich schließlich ab. Ich sagte nichts. Und lauschte. Es war ganz still. Am anderen Ende. Aber ich wusste, dass dort etwas war. Und dann hörte ich ein kriechendes Geräusch. Da kam etwas durch die Leitung. Auf mich zu. Ich legte den Hörer auf die Fensterbank. Und wich zurück. Und obwohl ich nun einigen Abstand zum Hörer hatte, konnte ich das Geräusch noch deutlich hören. Dann bewegte sich der untere Teil des Hörers. Ich wusste, dass sich die Sprechmuschel abdrehen ließ. Dass es ein Gewinde gab. Und genau das drehte sich. Bis das Bakelit-Gehäuse schließlich abfiel. Es sah jetzt aus wie ein kleines Sieb, das dort auf Fensterbank lag. Neben dem Hörer. Und aus dem Hörer selbst fiel nun etwas Metallisches heraus. Eine Kapsel. Die in etwa die Größe meiner Hand hatte. Sie lag ganz ruhig da. Auf der Fensterbank. Neben dem Hörer. Und ich nahm die Kapsel. Die auch ein Schraubgewinde hatte. In ihrer Mitte. Und schraubte sie auf. Darin befand sich ein Stück Papier. Es war eingerollt. Wie eine Flaschenpost. Und ich nahm es heraus. Und rollte es auf. Es war beschrieben. Ich las, was dort stand. Dann schraubte ich die Sprechmuschel wieder an. Und wählte die Nummer. Die auf dem Papier stand. Jemand nahm ab. Und ich ging. In die Leitung.

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