Wenn mich etwas beschäftigt oder ich etwas
loswerden muss, dann rufe ich eine dieser Nummern an. Es sind diese Nummern, bei
denen eine Ansage läuft. In Dauerschleife. Der Seewetterdienst, die
Pollenflugansage, eine Behörde nach Dienstschluss, die Ansage der Lottozahlen, meine
Mailbox. Manchmal ist es auch eine Arztpraxis. Ich rufe größere Praxen an. Nachts.
Gemeinschaftspraxen. Sie haben lange Ansagen. Ich wähle aus verschiedenen
Optionen, die das Menü anbietet. Es gibt Unterkategorien. Für Rezepte.
Terminvereinbarungen. Laborwerte. Ich spreche in den Hörer, wenn mir die Ansagestimme
gefällt. Ich mag es, wenn die Stimme wieder neu einsetzt. Am Anfang. Sich
wiederholt. Und ich spreche. Noch immer. Es ist ein bisschen ein dagegen Anreden.
Aber auch ein Gefühl des Getragenwerdens. Durch die Stimme. Bis zum Ende. Und
ich alles gesagt habe. Jemand hat einen Ansagetext aufgenommen. Ich höre eine
Stimme. Die vor drei Tagen, zwei Wochen, sechs Monaten, drei Jahren diese Sätze
sprach. Und ich kann reden. Im Beisein, in Begleitung dieser Stimme. Gestern
habe ich die Zeitansage angerufen. Um eine Beichte abzulegen. Es war 0.04 Uhr,
als ich die Nummer wählte und die aktuelle Zeit hörte. Um 0.38 Uhr hatte ich
alles gesagt. Und fühlte mich besser. Vielleicht laufen in diesen Einrichtungen,
bei denen ich anrufe, um Ansagen zu hören, Bänder. Gegenbänder. Die in diesen Büros
und Räumen, in diesen technischen Anlagen, wo die Ansagen laufen, mitschneiden,
was ich sage. Weil diese Ansagedienste eigentlich Auffangstationen sind. Es
sind Geschichtenfänger. Stoffsammler. Und jemand schreibt. Und jemand hört. Und
jemand schreibt. Vielleicht bestehen die meisten Bücher aus diesen eingefangenen
und aufgefangenen Geschichten. Heute Nacht werde ich wieder eine Nummer wählen.
Den automatischen Weckdienst. Und die Bänder laufen lassen.
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