Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Freitag, 26. Mai 2017

Durch einen Spiegel fallen



Die Eingangshalle des Hauses ist vollkommen leer. Und die Wände nackt. Nur an einer Stelle hängt etwas. Auf das ich jetzt zugehe. Alles liegt hier im Zwielicht. Sodass ich nicht sofort erkennen kann, was es ist. Es ist ein Spiegel. Und ich blicke hinein. Es ist, als würde ich durch ihn hindurchschauen. Auf etwas Dahinterliegendes. Das ich erahne. Aber nicht sehen kann. Dann verändert sich etwas. Es ist mein eigener Stand. Vor dem Spiegel. Der eben noch fest und sicher war. Jetzt jedoch gerate ich ins Wanken. Es fühlt sich an, als wellte sich der Boden. Unter meinen Füßen. Und obwohl es ein Marmorboden ist, auf dem ich stehe, verliere ich das Gleichgewicht. Und schon falle ich. Durch den Spiegel. Mein Fallen ist sanft. Und vollzieht sich ganz langsam. Als würde mich etwas auffangen. Auf der anderen Seite. Des Spiegels. Dort bin ich von Sand umgeben. So weit mein Auge reicht. Und ich habe keine Orientierung, in welche Richtung ich gehen soll. Ich folge der Sonne. Schon nach wenigen Minuten (und das wundert mich) stehe ich vor einer Windmühle. Sie hat mehrere Fenster. Die wie ein Ring um sie verlaufen. Und ich sehe, dass alle Fenster offen sind. Da ist kein Glas. Ich betrete die Mühle durch eines der Fenster. Und auch Innen ist Sand. Darin stehen Möbel. Und ich sehe Türen. Und Leitern. Sie erinnern mich an eine Bibliothek aus einer ganz anderen Zeit. Mit vielen Zwischengeschossen. Und Winkeln. Es riecht nach Papier. Und ich beschließe, eine der Türen zu öffnen. Die sich alle im Innern der Mühle befinden. Sodass ich keine Vorstellung habe, wo sich die dahinterliegenden Räume befinden könnten. Denn die Begrenzung durch die Außenmauern der Mühle ist klar. Ich gehe hinein. In dem Raum gibt es unzählige Spiegel. In allen Formen und Größen. Sie hängen an den Wänden. Sie stehen und lehnen an den Wänden. Sie sind an der Decke befestigt. Und selbst der Boden besteht aus Spiegeln. In der Mitte des Raums sehe ich ein Stehpult. Ich trete heran. Darauf liegt eine Karte. Eine Weltkarte. Und auf ihr sind Orte markiert. Mit blauen Punkten. Ich zähle acht. Verteilt über die ganze Welt. Und die Legende darunter weist diese Orte aus. Als besondere Stellen. Wo man durch Spiegel fällt. Und ich beginne im Kopf bereits mit meiner Reise. Zu diesen Orten. Doch dann geschieht etwas. Auf der Karte. Die acht Orte ziehen sich zusammen. Zu einem Spiegel. Der sich genau hier befindet. In diesem Raum.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.