Ich vermutete sie immer in der Truhe. Die
neben dem Kamin stand. In den ganzen Jahren öffnete ich sie kein einziges Mal. Oft
legte ich Dinge darauf. Zeitschriften. Oder Bücher. Manchmal stellte ich auch
etwas ab. Auf ihr. Wenn mir das, was ich trug, zu schwer erschien. Ich lebte
allein. In diesem Haus. In meinem Haus. Aber ich war nicht allein. Denn es war
bevölkert. Von Figuren. Die auch laufen und sprechen konnten. In einer mir
fremden Sprache. Ich wusste nicht, ob sie mich bemerkten. Mich sehen oder hören
konnten. Ich sah und hörte sie jetzt gut. Das war nicht immer so. Am Anfang
waren sie Schemen. Die mich erschreckten. In meinem eigenen Haus. Dann zeigten
sich die Figuren deutlicher. Ihre Stimmen wurden klarer. Irgendwann nahm ich
sie als etwas an, das fortan dazugehörte. Zu meinem Haus. Und obwohl ich ihre
Sprache nicht verstand (im wortwörtlichen Sinn), war da immer eine Ahnung von Bedeutung,
wenn ich ihren Stimmen, ihren Gesprächen lauschte. Ich hörte Freude heraus.
Sorge. Und manchmal auch Traurigkeit. Was ich nie sah, waren ihre Gesichter. Es
waren ihre Umrisse, die ich mit der Zeit immer klarer erkannte. Aber das genügte
mir. Für mein Leben. Im Haus. Die Figuren verschwanden manchmal. Und ihr
Auftreten folgte keinem Plan. Wenn sie nicht da waren, vermutete ich sie in der
Truhe. Neben dem Kamin. Und dann regnete es. Drei Tage. Und drei Nächte lang. Die
Figuren zeigten sich nicht. Während des Regens. Und ich ging unruhig durch mein
Haus. Weil ich sie vermisste. Ich spürte immer deutlicher, was mich umschlich.
Und was ich umschlich. Es war die Truhe. Und als ich sie öffnete, war da ich.
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