Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Mittwoch, 16. März 2016

Datenspur



Ich gehe spazieren. An einem Fluss entlang. Und dann sehe ich auf dem Boden etwas liegen. Ich hebe es auf. Es ist eine Kassette. Zu Hause habe ich ein Gerät, mit dem ich sie abspielen kann. Und ich gehe nach Hause. Säubere die Kassette. Lege sie ein. Und tatsächlich: Sie läuft. Leiernd zwar. Aber ich lausche. Und höre Bruchstücke. Musik. Satzfetzen. Zwei, nein, sogar drei verschiedene Stimmen. Die miteinander sprechen. Über eine Laubenkolonie. In der sie sich gerade befinden. Sie haben gesät. Ihre Stiefel ausgezogen. Und sitzen jetzt beisammen. Zwei Männer. Und eine Frau. Sie reden vom Schachspielen. Ich kenne mich damit nicht aus. Die drei hingegen schon. Sehr sogar. Es klingt jedenfalls professionell. In meinen Ohren: Offene Linien. Angriffsfelder. Raumvorteil. Ich höre heraus, dass die drei planen, die Strategie des Spiels auch auf andere Bereiche anzuwenden. Sie versprechen sich einen hohen Nutzen und satte Gewinne. Und sie spielen das durch. Mit verteilten Rollen. Und entwickeln ihr Drehbuch dabei. Die Dialoge werden festgelegt. Sie werden einen Streit haben. Vor einer vierten Person. Die sie zunächst unter einem Vorwand freundlich einladen. Die Aufnahme endet hier.

In dieser Nacht träume ich von Spuren. Denen ich folge. Von Füßen. Stiefeln. Und Abdrücken. Die mich durch Parks, Wohngegenden und Büroviertel führen. Von der Frage getrieben: Wer ist diese Person?

Heute Morgen gehe ich wieder spazieren. Mein Weg führt mich durch eine Laubenkolonie. Im zweiten Gang bleibe ich vor eine Parzelle stehen. Das Tor steht offen. Direkt dahinter: Drei Paar Gummistiefel. Auf der Veranda steht ein Tisch. Mit vier Stühlen. Darauf ein Schachbrett. Ein Mann kommt heraus. Mit einer einladenden Geste deutet er in Richtung Schachbrett: Wir haben Sie schon erwartet. Jetzt Sie.

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