Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Freitag, 2. September 2016

Verbatim



Das Gebäude verläuft an dieser Stelle bogenförmig. Die Fensterscheiben im Erdgeschoss sind leicht getönt. Trotzdem sehe ich jeden Morgen diesen Gegenstand. Er befindet sich direkt hinter der Scheibe. Es ist ein Schneeschieber. Der aufrecht an einer Säule lehnt. Über dem Eingang des Gebäudes ist ein Schriftzug angebracht. Den einen Teil merke ich mir. Den anderen Teil vergesse ich. Immobilie bleibt. Das Wort ist da. Es geht nicht fort. Wie sollte es auch. Unbeweglich wie es ist. Ganz wortwörtlich. In diese Bewegungslosigkeit fällt ein neuer Anblick. Ich bleibe stehen. Denn vor dem Schneeschieber sehe ich heute eine Wasserlache. Heute ist der 02. September. Es ist noch Sommer. Und das Thermometer zeigt 24 Grad.  Am Schneeschieber sind Schneereste. Ich gehe zum Eingang. Und öffne die Tür. Hinter Panzerglas sitzt ein Pförtner. Er spricht in ein Mikrofon.

ER: Haben Sie einen Termin?
ICH: Ich bedaure.
ER: Unsere Finanzierungsabteilungen sind 1: Häuser. 2: Wohnungen. 3: Gewerbe. Wo darf ich Sie anmelden?
ICH: 1, bitte.
ER: Ich öffne Ihnen. Im Vorraum finden Sie alles, was Sie brauchen. Gehen Sie dann einfach weiter geradeaus.

Ein Surren ertönt. Dann fällt die Tür hinter mir zu. Ich stehe in einem weiß gekachelten Raum. An der Wand vor mir hängen Daunenjacken. Sie sind der Größe nach geordnet. In einem deckenhohen Metallregal stehen Schneeboots. Ich nehme mir Stiefel und eine Jacke. Dann folge ich dem Gang. Es wird merklich kälter. Und so ziehe ich meine Ausrüstung an. Schließlich stehe ich vor einem Rolltor. Das sich nun öffnet. Alles ist weiß. Ich stehe auf einem Schneefeld. Ich sehe mehrere Schreibtischreihen. Dort sitzen Menschen. Sie arbeiten hinter Rechnern. Und haben große Papierstapel auf ihren Tischen. Plötzlich taucht ein  Apparat neben mir auf. Meine Wartenummer wird gedruckt. 334. Wenige Minuten später erscheint meine Nummer. Ich gehe zu Platz 4. Der Mann nickt mir zu. Und bittet mich mit einer Handbewegung, Platz zu nehmen. Mein Blick fällt auf sein Namensschild.  Den einen Teil merke ich mir. Den anderen Teil vergesse ich. Immobilie bleibt. Das Wort ist da. Es geht nicht fort. Wie sollte es auch. Unbeweglich wie es ist. Ganz wortwörtlich. In diese Bewegungslosigkeit fällt sein erster Satz.

ER: Häuser?
ICH nicke.
ER: Hier liegt alles auf Eis. Auch ich.
ICH: Warum gehen Sie dann nicht?
ER: Es geht nicht. Weil es nicht geht. Wir lösen hier ein Problem, das wir noch gar nicht gedacht haben.

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