Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Donnerstag, 7. Januar 2016

Reise



für Deva

Ich sitze auf einem hellen Fell. Und schließe die Augen. Dann gerate ich in Bewegung. Und gleite durch zahllose Räume und Zeiten. Jetzt befinde mich in einem Wald. Und folge dem Lauf eines Flusses. Dann taucht vor mir ein Stein auf. Er hat die Form eines Rades. Ein Mühlstein. Das ist das Rad der Zeit, erkenne ich. Es bringt hervor, bewahrt und nimmt wieder auf. Dann finde ich mich ein. An einem neuen Ort. Ich stehe in einem Kristall. Er umhüllt mich wie eine Blase. Und hat das Ausmaß einer Kathedrale. Ich bin jetzt in der Mitte des Raums. Und frage mich, welches Fundament mich hier trägt. Ich blicke hinunter und sehe, dass es meine eigenen Handflächen sind, auf denen ich stehe.

An der hinteren Wand der Kathedrale erscheint nun eine Kugel. Ich gehe näher heran. Sie ist ganz aus Gold. Und von ihr geht eine wohltuende Wärme und Ruhe aus. Ich richte meine Handflächen in ihre Richtung. Schon steht unsere Verbindung. Es strömt in meine Hände.  Ich sehe Wellen und Strahlen. Rot und Gold. Und dann halte ich die Kugel in meinen Händen.

Ich blicke hinaus. Ins Felsmassiv. Hinter der Kathedrale. Es brodelt und grollt. Etwas geht vor, da draußen im Fels. Dann zieht sich plötzlich alles zusammen. Einatmen. Ausatmen. Und entlädt sich in einer Explosion. Die ganze Felsenkette zerspringt. Jetzt erst sehe ich, wie tief das Massiv in die Erde reicht. Vor mir Krater, Gestein und Staub. Dann kommt etwas zum Vorschein. Ein Flügelwesen, das sich aus den Trümmern erhebt. Es kann mit seinen Flügeln die Erde bedecken. Und es wird dunkler, als es langsam über mich fliegt. Alles ist jetzt in ein rotgoldenes Licht getaucht. Ich betrachte die Unterseite seiner Flügel: Was ich vorher für das steinerne Rad der Zeit gehalten habe – den Mühlstein – zeigt sich mir jetzt anders: Die Zeit ist nichts anderes als ein Flügelschlag seiner Schwingen.

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