Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Dienstag, 17. Februar 2015

Wurzelgebiet



Du bist bis an den Rand gegangen. Dorthin, wo die Stadt ausläuft und auf Sendemasten trifft, die hier in einem Park beieinander stehen. Du hast dich zwischen zwei dieser Masten gestellt und bist gleich unter Hochspannung geraten. Die Haare haben dir zu Berge gestanden. Ein Massiv. Wir sprachen darüber, auf dem Gipfel ein Kreuz anzubringen. Wir fanden keine abschließende Antwort, ob dieses Gipfelkreuz Blitze anziehen oder ableiten würde. Die Frage gewann an Bedeutung, da ein Gewitter aufzog. Wir stellten uns vor, du würdest die Blitze einleiten in dich, so dass sie dich durchzogen von Kopf bis Fuß bis in den Boden hinein. Weiter in die Erdkruste, den Erdmantel bis in den Innenkern und sich dort sammeln und potenzieren zu einem gigantischen Irgendwas. Und während wir sprechen, stehst du derweil weiter dort zwischen den Masten, dein Haar wieder wohlgeordnet. Unter deinen Füßen beginnt es zu zündeln und die Stadt, auf die wir von hier blicken, ist jetzt taghell. Ein Funkenschlag über der Gesamtstadt. Alles verglimmt. Wir sehen uns an und ich frage, ob Asche essbar ist. Und dein Verdauungsapparat diesen Vorgang rückgängig machen kann. Oder du Beton gebären kannst. Flüssig und formbar. Du spuckst auf den Boden und es wird zu etwas Kristallinem. Du greifst danach. Du zuckst. Deine Hände bluten. Das Blut ist grün. Wie Chlorophyll, das auf den Boden tropft. Und vor uns sprießen Moose und Farne. Später üppiges Gras. Wir sitzen in einem Garten, den wir seither unser Eigen nennen.

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