für M.
Ich
könnte vom Holz der Veranda berichten, über seine Maserung, seine Trockenheit,
seine Bohr- und Astlöcher. Oder vom Kies, der den Weg vor mir bedeckt hält in
seinem schroffen, staubigen Grau. Es gäbe auch etwas zu sagen über das Tal, den
See und die Bergkette. Und über mein Auge. Das Sehen schmerzt heute. Da ist ein
leichter Brand auf meiner Netzhaut. Ein Ziehen. Irgendetwas ist schadhaft an
meinem Auge. Ich blicke in den Spiegel. Die Netzhaut bewegt sich. Sie löst sich
ab und gleitet zu Boden. Auf das Holz, den Kies. Dann zieht sie weiter. Ins Tal
hinein bis an den See, wo sie Fische fängt, Schuppentiere, mit denen sie wieder
an Land kommt. Sie kehrt zurück zu mir mit ihrem reichen Fang und legt sich,
unmerklich fast, wieder auf mein Auge und spielt mir Bilder zu. Sie pflanzt
Bilder in mein Auge. Sie gehen auf, werden größer und dichter. Sie mästet mein
Auge. Bilderfraß. Eine fremde, ungewohnte Speise. Vielleicht wird mir schlecht davon. Ich kann
sie ausspeien. Das kann ich nicht. Ich bin randvoll mit Bildern angefüllt. Augendruck.
Augenweh. Ich schließe es.
Die
Netzhaut hat eine Seezunge gefangen. Sie spricht jetzt. Ich höre sie deutlich. Sie
formt Augenschmaus und Augentrost. Ihre Stimme wird fester. Sie spricht klar
und deutlich. Sie sagt: Bedienen Sie sich. Nehmen Sie reichlich. Ich habe einen
guten Fang gemacht. Sie summt, singt und pfeift. Ich sehe was, was du nicht
siehst. Darüber lacht sie. Und schmatzt dabei. Ich möchte ihr etwas entgegnen,
bleibe aber ungehört. Vielleicht fehlt ihr ein Hörorgan. Sie spricht ohne
Unterlass bis in die Nacht hinein. Schon wünsche ich mir, sie möge wieder
aufbrechen zu ihren Streifzügen, sich endlich aufmachen in Richtung See und
mich derweil blind zurücklassen. Dann zieht sie tatsächlich los, nichts kündigt
ihren Aufbruch an. Sie lässt mich stehen oder liegen. Ihr Fortgang trifft mich
in Räumen, auf Straßen oder Plätzen, Gehöften, im Feld. Sie bleibt weg.
Stunden. Nächte. Tage. Ich warte auf sie. Dann vernehme ich sie ein letztes
Mal. Sie kriecht unter das Holz der Veranda, schlüpft in die Erde hinein, die
sich hinter ihr schließt.
Ich
könnte vom Holz der Veranda berichten, über sein Knarren und Knacken und wie es
sich anhört, wenn ein Vogel darüber läuft. Oder vom Kies, der den Weg vor mir
bedeckt hält mit seinem schlurfenden, schabenden Ton. Es gäbe auch etwas zu
sagen über das Tal, den See und die Bergkette. Und über mein Ohr. Das Hören
schmerzt heute. Da ist ein leichter Brand auf meinem Trommelfell. Ein Ziehen.
Irgendetwas ist schadhaft in meinem Ohr. Ich blicke in den Spiegel. Das
Trommelfell bewegt sich.
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