Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Samstag, 28. Februar 2015

Sweet Home



Sie kommen seit Jahren hier herein. In Ihr Haus. In Ihre Wohnung. Ihr Zuhause eben. Nach der Arbeit, dem Sport, dem Einkauf. Tagein. Tagaus. Und dann machen Sie eines Tages die Tür auf – und denken: Mein Gott, wie hässlich! Und Sie denken das nicht nur. Sie sprechen es sogar laut aus. In den Raum hinein. Sie verspüren jetzt einen starken Brechreiz. Wollen diesem aber nicht nachgeben. Stattdessen gehen Sie ins Wohnzimmer, öffnen einen Schrank, nehmen eine Vase heraus und lassen sie auf die Terracottafliesen fallen. Das wiederholen Sie dann mit weiteren Gebrauchsgegenständen - Schüsseln, Tellern, Gläsern und Tassen, die Sie ja auch in Ihren Schränken bereithalten. Tausend Scherben. Und Sie greifen da hinein. Spannungsabbau. Sie bluten. Es tropft schon auf den Boden. Sie gehen zum Sofa – helle Garnitur – und halten da die Hand drüber. Auch an den Wänden hinterlassen Sie Abdrücke. Mit einem Küchenhandtuch stoppen Sie die Blutung – Sie wollen hier ja noch weiterkommen. Jetzt die Gardinen runterreißen und mit der Schere kaputtschneiden.  Dann in die Küche. Den Kühlschrank auf. Da sind gute Sachen drin: Eier, Quark, Weißwein, Ketchup, Sardinen, Marmelade und Milch. Das alles knallen Sie der Reihe nach an die Wand. Schöner Farbverlauf. Das ist Ihnen aber alles noch viel zu kleinteilig. Die Axt im Haus erspart den Zimmermann. Sie arbeiten sich durch Betten, Schränke und Kommoden. Jetzt sind Sie so richtig in Fahrt – und möchten Ihren Wurfarm zum Einsatz bringen: Schnell die Balkontür aufgemacht und alle Zimmerpflanzen über die Brüstung werfen. Kurz betrachten Sie Ihr Werk. Noch viel zu organisch. Ein anderer Aggregatzustand muss her. Sie zündeln, und schon nach kurzer Zeit brennt alles lichterloh. Jetzt schnell die Scheiben einwerfen – wegen der Sauerstoffzufuhr.
Sie machen das Licht aus.

Und schließen die Tür.

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