Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Samstag, 29. September 2018

Variationen im Fels


Ich vermisse etwas.
Und so gehe ich wieder in die Tropfsteinhöhle –
und setze mich hinter den Vorhang.
Dort betrachte ich die Maserung des Bodens.
Der Untergrund besteht aus zahllosen Mündern,
die sich langsam öffnen und wieder schließen.
Und auch die einzelnen Korridore, die durch das Gestein verlaufen,
sind aus diesem Gewebe gemacht.

Ich schätze die unterschiedlichen Spielarten der Felsen dieses Gebirges.
Sie lassen mich immer wieder zurückkehren.
Gestern habe ich an einer Steilwand die Haut des Mondes geküsst,
die ein Datum trug (das ich sogleich vergaß).

An der Decke regt sich jetzt etwas:
Ich sehe ein Muster – und ich trinke aus ihm wie aus einem Brunnen.
Es schmeckt nach Gewitter – das bald aufziehen wird.
Meine Hände sind währenddessen schon bei den Vögeln,
die sich langsam aus dem Gestein lösen.
In den seltenen Zwischenräumen, die sich jetzt zeigen, wohnt die Zeit.
(sagen die Vögel)
Und man bereitet mir hier ein Mahl für die Augen.
(so die Vögel)

Oben im Fels ist ein Turm. Auf seiner Plattform stehen zwei Synchronspringer.
Sie sind in gefrorene Pelze gehüllt.
Und während sie von dort oben zeitgleich durch den Spiegel des Bodens springen, öffnen sich vor mir Türen im Fels.

Draußen ist jetzt Winter – und ab hier alles wieder lesbar für mich.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.