Orla Wolf

Orla Wolf
zuckerauge: ISSN 2569-9458

Freitag, 5. Dezember 2014

SyNap



Ein Saal. Eine Tafel. Über der Tafel mittig eine Jalousie. Zwei Frauen in Rokokokostümen. Sie sitzen sich gegenüber. Kein Sichtkontakt wegen der Jalousie. Die Jalousie wird jetzt automatisch hochgezogen. Glückauf! Glückauf! Die beiden sehen sich an. Schweigen. Ihre Hände schieben derweil kleine Gegenstände auf der Tischplatte hin und her. Warum sagen Sie nichts? (sie abfällig nachmachend) Warum sagen Sie nichts? Dachte ich es mir doch. Sie spielen wieder, stimmt´s? Oder was waren das eben für seltsame Geräusche? Ein Surren oder eine leichte Vibration. Machen Sie mir nichts vor. Ich habe es doch gehört. Jetzt fangen Sie doch nicht wieder damit an. Sie fragen mich immer. Und ich bekomme doch keine Antwort. Jedenfalls keine, mit der Sie sich zufrieden geben würden. Sagen Sie, haben Sie sich jemals mit einer zufrieden gegeben? Was tut das jetzt zur Sache? Geben Sie einfach zu, dass Sie wieder gespielt haben. Und genau das werde ich nicht tun. Gewöhnen Sie sich einfach daran. Ja? Je schneller, desto besser. Desto besser für uns beide. Sagt bitte wer? Sie kennen die Antwort. Also hören Sie einfach auf damit. Es hat doch keinen Zweck. So resigniert? Lassen Sie das. Oh je, jetzt weiß sie wieder nicht weiter. Ich sagte, lassen Sie das. Sie werden unfreundlich. Was Sie nun wieder haben. Halten Sie endlich den Mund! Sie sind doch die Letzte, die das aushalten würde. Keine Stunde, ach, was sage ich, keine 2 Minuten könnten Sie diese Stille aushalten. Hören Sie endlich auf damit! Sie wissen doch genau, wohin das führt. Und das, das wollen wir doch gewiss beide nicht. Sie reicht ihr eine Serviette mit drei Pflaumen. Pfläumchen? Seit wann essen Sie Obst? Früher haben Sie alles Fruchtige doch einfach wieder ausgespuckt. Nun, ich habe diese Gewohnheiten geändert. Ach, was sage ich, --- überwunden. Ja, überwunden. Die reinste Überwindung war das. Aber ich erfuhr folgendes: In China zählt man die Pflaume zu den drei Freunden des Winters. Sie nimmt eine Pflaume, betrachtet sie und beißt genüsslich hinein. Hmmm. Köstlich! Und wer sind die beiden anderen Freunde? Auch so lecker? Fragen Sie nicht, essen Sie! Die Pflaume gehört übrigens zur Familie der Rosengewächse. Ist Ihnen das bekannt? Genetisch gesehen ein Additionsbastard aus Schlehdorn und Kirschpflaume. Was Sie nicht sagen. Sie zieht langsam einen langen Lochstreifen aus ihrem Mund. Was haben wir denn da? Sie nimmt ihr den Streifen aus der Hand. Lassen Sie mal sehen. Vielleicht ein Additionsbastard. Aber bestimmt kein Rosengewächs. Nicht zwangsläufig. Aber schauen Sie, das ist ja ganz ungewöhnlich. Sie legt den Streifen in eine kleine Maschine ein. Ich ziehe das hier jetzt durch dieses kleine Maschinchen, und dann werden wir sehen, was passiert. Sie lassen sich aber auch durch gar nichts aus der Ruhe bringen. Andere würden angewidert Reißaus nehmen oder, naja, mit einem solchen Streifen jedenfalls nichts anzufangen wissen. Sie hingegen experimentieren wohl gern. Ja, ganz augenscheinlich tun Sie das. Nun, warten wir ab, was sich tut. Was ist eigentlich mit Billy? Billy? Ja, Billy. Verdammt nochmal welcher Billy? Ich bitte Sie! Der einäugige Billy. Gründonnerstag im Saigon. Der Zyklop? Sie erinnern sich. Der Alles-Seher. Unheimlich, nicht wahr? Er kam auf mich zu. Seine Pupille weitete sich. Diese Schwärze, in die alles einstrudelte. Ich habe das nicht gewollt. Schon gut. Aber es muss Ihnen doch etwas bedeutet haben? Das sagen Sie jedes Mal. Und immer meine ich es auch so. Es passiert immer wieder. Ich will ja aufhören damit. Aber ich kann einfach nicht anders. Ich bin doch die Einzige, die es weiß. Ja, Sie sind immer dabei. Stimmt irgendetwas nicht? Sie hören sich plötzlich so anders an. Anders als sonst. Ich habe geträumt, und muss ständig an diesen Traum denken. Sie nimmt den Lochstreifen. Er blinkt. Sie sind schwanger. Ich stehe an einer Ampel. Das Licht springt um und ich gehe los. Sie sind schwanger. Es wurde also grün und ich ging los. Ich bin schwanger. Von wem? Von Billy? Keine Ahnung. Ich bin mir nicht sicher. Kann man sich denn jemals sicher sein? Es könnte von jedem sein. Von jedem und keinem. Das war Billy! Ja, ganz bestimmt. Dieses kleine Miststück. Dieses kleine Glückskäferchen Das wird sowieso eine Todgeburt. Sie sind gemein. Stellen Sie sich vor, ich habe wieder einen Brief bekommen. Mein Gott, wieder eine Drohung? Hören Sie, jemand hat vor, mich umzubringen. Aber wie soll man jemanden umbringen, der schon tot ist? Sie sind erbärmlich. Verdammt, ich habe Hunger. Dieses eine Pfläumchen. Ich habe sogar einen Riesenhunger. Sie läutet. Eine Bedienung kommt herein. Sie wünschen? Ich nehme heute die Nummer 3. Mit Klößen. Die Soße bitte nicht ganz so dünn. Und an die Böhnchen könnten ein paar Zwiebeln mehr. Eine Karaffe Wein. Von dem Weißen bitte. Das ist alles. Nach dem Servieren können Sie dann für heute auch gehen. Bedienung ab. Was macht übrigens das Bild? Nun, es setzt sich mehr und mehr zusammen. Es funktioniert wirklich. Da legt man einen Köder aus und schon, paff, schnappt die Falle zu. Unglaublich! Da kommt schon das Essen. Wie schnell das heute wieder geht. Als hätten Sie es geahnt. Die Nummer 3. War das jetzt Zufall? Und wenn ich die 5 genommen hätte? Wie lange hätte das gedauert? Oder die 8? Das hört sich nämlich auch sehr aufwendig an. Wahrscheinlich habe ich die 8 aus gutem Grunde nicht gewählt. Oder die 11. Pfifferlinge. Das ist doch absurd. Pfifferlinge haben wir doch nie im Haus. Also geben Sie schon her. Ich bin viel zu gut zu Ihnen. Immer kommen Sie hier mit allem irgendwie durch. Und das nur, weil ich mich immer für die verdammten Primzahlen entscheide. Hab ich Recht? Das haben Sie schön durchschaut. Und das kochen Sie dann vor. Bestimmt tun Sie das. Aber was machen Sie eigentlich mit den anderen Gerichten? Was passiert mit der 5, der 7 oder der 11? Sagen Sie es mir! Selber essen? Wird hier etwa selbst gegessen? Oder irgendwem etwas mitgebracht? Daheim den Kinderchen vorgesetzt? Zuzutrauen wär´s Ihnen ja. Oh Gott, mir wird schlecht. Mir wird schlecht, bevor es überhaupt losgeht. Das ist nicht gut. Das ist überhaupt nicht gut. Jetzt beruhigen Sie sich doch. Guten Appetit! Was essen Sie da? Na, die Nummer 3. Heute mit Klößen. Die Soße nicht ganz so dünn. Und die Böhnchen mit ein paar Zwiebeln mehr. Der Wein ist auch gut. Deshalb sieht das hier bei mir auch so überschaubar aus. Ich habe Hunger! Das habe ich doch unmissverständlich geäußert. Ich denke, Ihnen ist schlecht? Und Sie, Sie vertragen doch überhaupt  keine Zwiebeln. Wir wissen doch beide, wohin das führt. Abführt. Seien Sie nicht albern, der Wein ist ganz wunderbar. Was hier fehlt, haben Sie zu viel. Was war das? Da ist es doch wieder, dieses Geräusch! Dieses eigenartige Surren. Tut mir leid, aber ich höre nichts. Mein Gott, sind Sie taub. Es kommt näher. Das ist ja kaum auszuhalten. Nun sehen Sie doch: Ein Hubschrauber. Direkt über uns! Ich glaub´s nicht! Der Copilot hat ´ne Waffe. Und zielt direkt auf uns. Ich sag doch, dass irgendwas nicht stimmt. Gehen wir in Deckung! Man hat es auf uns abgesehen. Und wie recht Sie haben, meine Liebe. Sie hat eine Pistole in der Hand und zielt auf sie. Nun kommen Sie schon. Lächeln. Lächeln Sie. Huhu, hier ist das Vögelchen. Und das Vögelchen ist kein Freund des Winters. Nein, ein Freund des Winters bin ich nicht. Ein Schuss fällt. Die Jalousie schließt sich. Es gibt weltweit etwa 2000 Pflaumensorten. Man unterscheidet dabei verschiedene Gruppen von Pflaumen – so etwa die Mirabelle, die Kriechenpflaume, die Haferpflaume und die Zwetschge. Die Zwetschge ist eher oval und hat eine ausgeprägte Naht. Andernorts wird jede Pflaumenart als Zwetschge bezeichnet. Wie unwürdig. (abfällig) Kriechenpflaume. Haferpflaume. Zwetschge. Einen guten Abend. Pah! Man isst ja nicht alles. Für mich bitte nur die Mirabelle von Nancy. 

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