Ein Saal. Eine Tafel.
Über der Tafel mittig eine Jalousie. Zwei Frauen in Rokokokostümen. Sie sitzen
sich gegenüber. Kein Sichtkontakt wegen der Jalousie. Die Jalousie wird jetzt
automatisch hochgezogen.
Glückauf! Glückauf! Die beiden sehen sich an. Schweigen. Ihre Hände schieben
derweil kleine Gegenstände auf der Tischplatte hin und her. Warum sagen Sie
nichts? (sie abfällig nachmachend) Warum sagen Sie nichts? Dachte ich es
mir doch. Sie spielen wieder, stimmt´s? Oder was waren das eben für seltsame
Geräusche? Ein Surren oder eine leichte Vibration. Machen Sie mir nichts vor.
Ich habe es doch gehört. Jetzt fangen Sie doch nicht wieder damit an. Sie
fragen mich immer. Und ich bekomme doch keine Antwort. Jedenfalls keine, mit
der Sie sich zufrieden geben würden. Sagen Sie, haben Sie sich jemals mit einer
zufrieden gegeben? Was tut das jetzt zur Sache? Geben Sie einfach zu, dass Sie
wieder gespielt haben. Und genau das werde ich nicht tun. Gewöhnen Sie sich
einfach daran. Ja? Je schneller, desto besser. Desto besser für uns beide. Sagt
bitte wer? Sie kennen die Antwort. Also hören Sie einfach auf damit. Es hat
doch keinen Zweck. So resigniert? Lassen Sie das. Oh je, jetzt weiß sie wieder
nicht weiter. Ich sagte, lassen Sie das. Sie werden unfreundlich. Was Sie nun
wieder haben. Halten Sie endlich den Mund! Sie sind doch die Letzte, die das
aushalten würde. Keine Stunde, ach, was sage ich, keine 2 Minuten könnten Sie
diese Stille aushalten. Hören Sie endlich auf damit! Sie wissen doch genau,
wohin das führt. Und das, das wollen wir doch gewiss beide nicht. Sie reicht
ihr eine Serviette mit drei Pflaumen. Pfläumchen? Seit wann essen Sie Obst?
Früher haben Sie alles Fruchtige doch einfach wieder ausgespuckt. Nun, ich habe
diese Gewohnheiten geändert. Ach, was sage ich, --- überwunden. Ja, überwunden.
Die reinste Überwindung war das. Aber ich erfuhr folgendes: In China zählt man
die Pflaume zu den drei Freunden des Winters. Sie nimmt eine Pflaume,
betrachtet sie und beißt genüsslich hinein. Hmmm. Köstlich! Und wer sind
die beiden anderen Freunde? Auch so lecker? Fragen Sie nicht, essen Sie! Die
Pflaume gehört übrigens zur Familie der Rosengewächse. Ist Ihnen das bekannt?
Genetisch gesehen ein Additionsbastard aus Schlehdorn und Kirschpflaume. Was
Sie nicht sagen. Sie zieht langsam einen langen Lochstreifen aus ihrem Mund.
Was haben wir denn da? Sie nimmt ihr den Streifen aus der Hand. Lassen
Sie mal sehen. Vielleicht ein Additionsbastard. Aber bestimmt kein
Rosengewächs. Nicht zwangsläufig. Aber schauen Sie, das ist ja ganz
ungewöhnlich. Sie legt den Streifen in eine kleine Maschine ein. Ich
ziehe das hier jetzt durch dieses kleine Maschinchen, und dann werden wir
sehen, was passiert. Sie lassen sich aber auch durch gar nichts aus der Ruhe
bringen. Andere würden angewidert Reißaus nehmen oder, naja, mit einem solchen
Streifen jedenfalls nichts anzufangen wissen. Sie hingegen experimentieren wohl
gern. Ja, ganz augenscheinlich tun Sie das. Nun, warten wir ab, was sich tut.
Was ist eigentlich mit Billy? Billy? Ja, Billy. Verdammt nochmal welcher Billy?
Ich bitte Sie! Der einäugige Billy. Gründonnerstag im Saigon. Der Zyklop? Sie
erinnern sich. Der Alles-Seher. Unheimlich, nicht wahr? Er kam auf mich zu.
Seine Pupille weitete sich. Diese Schwärze, in die alles einstrudelte. Ich habe
das nicht gewollt. Schon gut. Aber es muss Ihnen doch etwas bedeutet haben? Das
sagen Sie jedes Mal. Und immer meine ich es auch so. Es passiert immer wieder.
Ich will ja aufhören damit. Aber ich kann einfach nicht anders. Ich bin doch die
Einzige, die es weiß. Ja, Sie sind immer dabei. Stimmt irgendetwas nicht? Sie
hören sich plötzlich so anders an. Anders als sonst. Ich habe geträumt, und
muss ständig an diesen Traum denken. Sie nimmt den Lochstreifen. Er blinkt.
Sie sind schwanger. Ich stehe an einer Ampel. Das Licht springt um und ich gehe
los. Sie sind schwanger. Es wurde also grün und ich ging los. Ich bin
schwanger. Von wem? Von Billy? Keine Ahnung. Ich bin mir nicht sicher. Kann man
sich denn jemals sicher sein? Es könnte von jedem sein. Von jedem und keinem.
Das war Billy! Ja, ganz bestimmt. Dieses kleine Miststück. Dieses kleine
Glückskäferchen Das wird sowieso eine Todgeburt. Sie sind gemein. Stellen Sie
sich vor, ich habe wieder einen Brief bekommen. Mein Gott, wieder eine Drohung?
Hören Sie, jemand hat vor, mich umzubringen. Aber wie soll man jemanden
umbringen, der schon tot ist? Sie sind erbärmlich. Verdammt, ich habe Hunger.
Dieses eine Pfläumchen. Ich habe sogar einen Riesenhunger. Sie läutet. Eine
Bedienung kommt herein. Sie wünschen? Ich nehme heute die Nummer 3. Mit
Klößen. Die Soße bitte nicht ganz so dünn. Und an die Böhnchen könnten ein paar
Zwiebeln mehr. Eine Karaffe Wein. Von dem Weißen bitte. Das ist alles. Nach dem
Servieren können Sie dann für heute auch gehen. Bedienung ab. Was macht
übrigens das Bild? Nun, es setzt sich mehr und mehr zusammen. Es funktioniert
wirklich. Da legt man einen Köder aus und schon, paff, schnappt die Falle zu.
Unglaublich! Da kommt schon das Essen. Wie schnell das heute wieder geht. Als hätten
Sie es geahnt. Die Nummer 3. War das jetzt Zufall? Und wenn ich die 5 genommen
hätte? Wie lange hätte das gedauert? Oder die 8? Das hört sich nämlich auch
sehr aufwendig an. Wahrscheinlich habe ich die 8 aus gutem Grunde nicht
gewählt. Oder die 11. Pfifferlinge. Das ist doch absurd. Pfifferlinge haben wir
doch nie im Haus. Also geben Sie schon her. Ich bin viel zu gut zu Ihnen. Immer
kommen Sie hier mit allem irgendwie durch. Und das nur, weil ich mich immer für
die verdammten Primzahlen entscheide. Hab ich Recht? Das haben Sie schön
durchschaut. Und das kochen Sie dann vor. Bestimmt tun Sie das. Aber was machen
Sie eigentlich mit den anderen Gerichten? Was passiert mit der 5, der 7 oder
der 11? Sagen Sie es mir! Selber essen? Wird hier etwa selbst gegessen? Oder
irgendwem etwas mitgebracht? Daheim den Kinderchen vorgesetzt? Zuzutrauen wär´s
Ihnen ja. Oh Gott, mir wird schlecht. Mir wird schlecht, bevor es überhaupt
losgeht. Das ist nicht gut. Das ist überhaupt nicht gut. Jetzt beruhigen Sie
sich doch. Guten Appetit! Was essen Sie da? Na, die Nummer 3. Heute mit Klößen.
Die Soße nicht ganz so dünn. Und die Böhnchen mit ein paar Zwiebeln mehr. Der
Wein ist auch gut. Deshalb sieht das hier bei mir auch so überschaubar aus. Ich
habe Hunger! Das habe ich doch unmissverständlich geäußert. Ich denke, Ihnen
ist schlecht? Und Sie, Sie vertragen doch überhaupt keine Zwiebeln. Wir wissen doch beide, wohin
das führt. Abführt. Seien Sie nicht albern, der Wein ist ganz wunderbar. Was
hier fehlt, haben Sie zu viel. Was war das? Da ist es doch wieder, dieses
Geräusch! Dieses eigenartige Surren. Tut mir leid, aber ich höre nichts. Mein
Gott, sind Sie taub. Es kommt näher. Das ist ja kaum auszuhalten. Nun sehen Sie
doch: Ein Hubschrauber. Direkt über uns! Ich glaub´s nicht! Der Copilot hat ´ne
Waffe. Und zielt direkt auf uns. Ich sag doch, dass irgendwas nicht stimmt. Gehen
wir in Deckung! Man hat es auf uns abgesehen. Und wie recht Sie haben, meine
Liebe. Sie hat eine Pistole in der Hand und zielt auf sie. Nun kommen
Sie schon. Lächeln. Lächeln Sie. Huhu, hier ist das Vögelchen. Und das
Vögelchen ist kein Freund des Winters. Nein, ein Freund des Winters bin ich
nicht. Ein Schuss fällt. Die Jalousie schließt sich. Es gibt weltweit
etwa 2000 Pflaumensorten. Man unterscheidet dabei verschiedene Gruppen von
Pflaumen – so etwa die Mirabelle, die Kriechenpflaume, die Haferpflaume und die
Zwetschge. Die Zwetschge ist eher oval und hat eine ausgeprägte Naht.
Andernorts wird jede Pflaumenart als Zwetschge bezeichnet. Wie unwürdig. (abfällig)
Kriechenpflaume. Haferpflaume. Zwetschge. Einen guten Abend. Pah! Man isst ja
nicht alles. Für mich bitte nur die Mirabelle von Nancy.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.